Gesamtkonzept: Follow your heart

Auf einem Fitness-Bike wird Fahrradfahren zur Herzenssache. Doch bitte vorher Brustgurt anlegen. Die Elektronik informiert über Tritt- und Herzfrequenz. Darüber muss der Fitness-Biker Bescheid wissen, denn Belastung ist nicht gleich Geschwindigkeit

Man verbinde Mountainbike-Komfort mit Rennrad-Dynamik

von HELMUT DACHALE

Radfahren heißt jetzt anders. Fitness-Biking sagt man nun. Allerdings ist damit nur das sportive Segment der Fahrradnutzung gemeint. Das Velo als Sportgerät – klingt erst mal nach einer Idee von vorgestern. Mag sein, könnte Professor Dr. Klaus Baum erwidern, man dürfe aber nicht übersehen, dass das Fahrrad „bisher immer nur von Spezialisten als Trainingsmittel eingesetzt wurde“. Es werde endlich Zeit, Millionen von Menschen mittels Fahrrad fit zu machen. Mit dem „Gesamtkonzept Fitness-Biking“, das auf kontrolliertem Training plus Spaßfaktor basiere. Baum läuft gerne Marathon, unterrichtet an der Deutschen Sporthochschule Köln und ist der Chef eines Unternehmens, das sich mit „Erhalt und der Steigerung der körperlichen Leistungsfähigkeit“ beschäftigt. Wohl der Richtige für diese Mission. Baum betreibt sie indes nicht allein, Partner ist der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV). Schließlich geht es ja auch um die Marktetablierung eines neuen Fahrradtyps. Des Fitness-Bikes.

Haben also die Hersteller das Rad schon wieder neu erfunden? Nein, Cross-over ist angesagt. Man verbinde, sagt Baum in seiner Trainingsbroschüre, „den Sitz- und Fahrkomfort eines Mountainbikes mit dem dynamisch sportlichen Fahren eines Rennrades“. Schlau ausgedacht: Das Rennrad als das edelste Geschöpf in der Fahrradwelt zieht die Blicke auf sich. Doch kurzer Radstand, äußerst schmale Bereifung und tiefer Rennlenker machen es zu einem gewöhnungsbedürftigen Gefährt, auf dem real kaum jemand abfährt. Sein Anteil unter allen verkauften Fahrrädern dümpelt bei etwa einem Prozent, während das robustere MTB nebst Verwandten es auf 35 bis 40 Prozent bringt.

Als eine Mischung aus Renn- und eher Crossrad präsentiert die Rabeneick GmbH ihr F-400: 28-Zoll-Laufräder mit einer 25-mm-Bereifung, was durchaus noch an eine Rennmaschine erinnert. Aber anders als bei der ist der Radstand etwas länger, und als Lenker kommt eine fast gerade Stange zum Einsatz. Auf etwas Speed ausgelegt die 24-Gang-Schaltung von Shimano und wohl auch der Verzicht auf Schutzbleche, Lichtanlage und Gepäckträger. Zum Preis von 949 Euro wird dafür ein Heart-Rate-Computer der Marke Cat Eye mitgeliefert, fest installiert. Das kleine Stück Elektronik informiert nicht nur über das Übliche, Tempo und Kilometerzahl etwa, sondern auch über Tritt- und Herzfrequenz. Und genau darüber muss der Fitness-Biker Bescheid wissen, sagt Baum.

Denn so ein Radler habe das Fahren nach seinem persönlichen Belastungsbereich auszurichten und müsse dazu nicht unbedingt hohe Geschwindigkeiten und weite Strecken anstreben. „Follow your heart“, sang Nana Mouskouri schon vor 40 Jahren – und so sieht es auch der Physiologe. Dazu muss man die eigenen Herzfrequenzwerte kennen – also vorm Losfahren womöglich eine Laktatdiagnose einholen –, sie eingeben und dann schauen, dass man den individuellen Frequenzbereich ordentlich ausreizt. Und zwar regelmäßig. Mehrmals wöchentlich. Das Herz fordern und fördern, würde Freizeitradler Franz Müntefering dazu sagen. Wie jedoch gelangen die Herzwerte während des Fahrens aufs Display? Vorzugsweise durch einen umgeschnallten Brustgurt mit Sensoren und Funksignalen. Ein Accessoire, das beim F-400 zum normalen Lieferumfang gehört.

Auch der Hersteller Stevens preist etliche seiner Modelle als geeignet zum Fitness-Biking an. Vor allem eine Unterabteilung, die bei ihm „City Cross“ heißt. „Die richtigen Räder, um die Spinning-Fraktion auf die Straße zurückzuholen“, so die Überzeugung des Vertriebsmanagers Nico Schild. Doch wer im Sportstudio auf einem immobilen Bike hockt, wird mit digitalen Anzeigen geradezu verwöhnt.

Bei einem „City Cross“ hingegen zählt der Computer nicht zur Standard-Ausstattung. Insgesamt wird aber auch hier eine sportive Mischung geboten, die darauf abzielt, leistungssteigerndes Training auf die sanfte Tour zu ermöglichen: Aluminium-Rahmen mit wendiger Konstruktion und doch nicht ganz engem Radstand, gerade oder nach hinten gekrümmter Lenker, Reifen in Rennrad-untypischer Breite. Je nach Schaltungs- und weiteren Ausstattungsvarianten hat man dafür zwischen rund 600 und 1.700 Euro zu zahlen. Ohne die Komponenten mitgeliefert zu bekommen, die beim Alltagsfahrrad üblich sind, Schutzbleche etwa. Zumindest deren Anbringung sei aber technisch kein Problem, erklärt Nico Schild. Gegen Aufpreis, versteht sich.

Es zeichnet sich ab: Das Fitness-Bike ist nicht als Mehrzweck-Rad konzipiert. Auf ihm tagtäglich zur Arbeit radeln und dabei das kleine Training zwischendurch absolvieren? Wer eine Tasche am Gepäckträger befestigen, mit sauberer Hose ankommen und nicht schon morgens den Brustgurt umbinden möchte, wird damit Schwierigkeiten haben. Das weiß wohl auch der Großanbieter Quelle. Er offeriert ein Alu-Fitness-Bike der Hausmarke „Mars“ in einer ungewöhnlichen Zusammenstellung: eine „Kombination aus leicht laufendem Rennrad und robustem Trekking-Bike“. Das Ding kommt mit straßentauglicher Ausstattung und niedlichem Gepäckträger daher, dazu mit Federgabel und einer 24-Gang-Kettenschaltung (mit dem Altus- Schaltwerk aus der unteren Abteilung von Shimano). Und vorne hängt sogar ein Computer dran. Damit können der Kalorienverbrauch und auch die Trittfrequenz gemessen, aber das Herz wird nicht überwacht. Ein Herzfrequenzmessgerät, wie Baum es wünscht, wird als Zubehör angepriesen. Zu einem Preis, für den man gleich drei Quelle-Fitness-Bikes kriegen könnte. Denn noch bis zum 25. März wird das „Sensationsrad“ für ganze 49,90 Euro auf den Markt geworfen. Allerdings nur in einer Auflage von 1.000 Stück. Man muss sich darum bewerben und kommt in die Lostrommel. So wird Fitness zur Glückssache.

Prof. Dr. Klaus Baum: „Fitness-Biking. Die Trainingsbroschüre“. 5,95 € Professor Dr. Baum GmbH, Tel. (02 21) 2 85 58 55 - 0