„Der Kanzler redet Englisch“

Während BBC World und CNN mit ihren Truppen den Irak befreien, verheddern sich die Öffentlich-Rechtlichen im Nachrichtengestrüpp – und verwechseln schon mal Tony Schröder mit Gerhard Blair

Ich könnte Ihnen das jetzt übersetzen, aber ich glaube, wir schalten lieber nach …

von STEFFEN GRIMBERG

Donnerstag, 17.15 Uhr. Es läuft das deutsche Fernsehen. Und es läuft die Kanzleransprache an das deutsche Volk. Auf RTL und n-tv, N24 und Phoenix. Nur nicht bei ARD und ZDF. Die ARD hatte die Rede zwar aufgezeichnet und den anderen Sendern zur Verfügung gestellt. Doch dann nicht rechtzeitig auf den Sender bekommen.

Schwamm drüber? Klar, schließlich ist Krieg, und außerdem gibt es gleich am nächsten Tag die nächste Chance: 12.30 Uhr, Gerhard Schröder spricht nach dem EU-Gipfel vor der Presse in Brüssel. Leider wieder nicht bei ARD und ZDF. Dafür aber – man kennt das schon – auf RTL und n-tv, N24 und Phoenix. ARD und ZDF zeigen beide die diesmal vom Zweiten verantworteten Mittagsnachrichten, Maria von Welser ist zu sehen, so live wie unwichtig aus London.

Später endlich die Schalte nach Brüssel, doch nicht zum Kanzler, sondern zum Korrespondenten draußen, der nochmal zusammenfasste, was drinnen passierte. Schließlich – nach beinahe zehn Minuten, Schröder sprach mittlerweile nicht mehr vom Irak, sondern von Landwirtschaft und Milchquoten, ein Bild aus dem Saal. „Ich höre, die Leitung steht“, sagte ZDF-Mittagsmoderator Norbert Lehmann noch, und dann war da wirklich ein Bild mit Schröder und Phoenix-Logo – und die Stimme von Tony Blair. Der war nämlich auch beim EU-Gipfel und gab mit Grabesmiene gleich nebenan – und auf BBC World und CNN – ebenfalls eine Pressekonferenz. „Der Kanzler redet Englisch“, informierte Lehmann: „Ich könnte Ihnen das jetzt rückübersetzen, aber ich glaube, wir schalten dann lieber nach …“ So folgten wieder Kuwait und Amman, ordentliche Berichte ordentlicher KorrespondentInnen – und ein paar Einsichten über den öffentlich-rechtlichen Nachrichtenzirkus.

Die ARD-Anstalten und das ZDF sind mit dem Rolling-News-Konzept, wie es von BBC und CNN diktiert wird, überfordert. Der öffenlich-rechtliche Ereigniskanal Phoenix hat zwar beim Übertragen von Pressekonferenzen Routine, ist aber in der aktuellen Berichterstattung gegenüber ARD und ZDF zu stark benachteiligt. Viele dritte ARD-Programme leisten sich mit eigener Irak-Berichterstattung zudem einen absurden Wettbewerb, der zum Verschleiß von JournalistInnen und Technik beiträgt.

Dabei käme den Öffentlich-Rechtlichen derzeit eine viel wesentlichere Rolle zu. Denn die BBC und erst recht CNN repräsentieren in diesem Golfkrieg nicht die breite internationale Koalition wie 1991/1992. Mit martialischen Trailern vom Einmarsch im Südirak, von starteten Jets, transportiert CNN eine klare Haltung, die sich in vielen Frontberichten wiederfindet: „Die US-Truppen rücken gen Bagdad vor, Tankpausen sind das Einzige, was sie aufhalten“, knarzt die sonore Stimme des beim 3. Schwadron der 7. US-Kavallerie eingebetten Korrespondenten Walter Rogers: „Wir sehen, wie sich Geschichte vor unseren Augen entfaltet. Wann immer die Irakis CNN einschalten, sehen sie, was da auf sie zukommt.“ Die BBC bemüht sich um mehr Abstand, relativiert zum Beispiel zu hoch gegriffene Angaben über die Zahl irakischer Überläufer und hat mit Rageh Omaar wohl den derzeit besten Mann in Bagdad, der trotz irakischer Zensur in seinen Berichten noch Einschätzungen wie die unterbringt, die Luftabwehr der irakischen Hauptsadt habe „ohnehin eher symbolischen Wert“.

Die anderen deutschen Sender können die Partialdemenz von ARD und ZDF schon gar nicht ersetzen. Beim professionellsten CNN-Nachahmer RTL kam gestern Morgen zumindest Peter Kloeppel seinen Vorbildern sehr nah: Man müsse rund um Basra schon damit rechnen, „dass wir solche Truppenkonzentrationen antreffen“, machte sich der RTL-Mann den amerkanischen Vormarsch zu Eigen.