„Die EU ist schlecht auf den Krieg vorbereitet“

Irakflüchtlinge sollen Aufenthaltserlaubnis bekommen, Abschiebestopp reicht nicht, sagt Bernd Mesovic von ProAsyl

taz: Innenminister Otto Schily hat die Länder gebeten, vorerst nicht mehr in den Irak abzuschieben. Reicht Ihnen das?

Bernd Mesovic: Diese Reaktion auf den Krieg hat nur symbolische Bedeutung. Praktisch wurde in den letzten Jahren nicht in den Irak abgeschoben. Auch nicht in den Nordirak. Vielmehr wurde immer mehr abgelehnten Flüchtlingen nahe gelegt, doch freiwillig in den Nordirak auszureisen. Ihre Abschiebung scheiterte aber aus technischen und politischen Gründen. Die Abgelehnten waren hier geduldet.

Welchen Status fordern Sie jetzt, nach dem amerikanischen Angriff, für die Flüchtlinge aus dem Irak?

Die, die jetzt in Deutschland leben, müssen mehr bekommen als eine Duldung. Die Leute brauchen eine Lebensperspektive. Ich plädiere dafür, Aufenthaltsbefugnisse zu erteilen. Wir haben doch durch die Kriege der letzten Jahre die Erfahrung gemacht, dass Flüchtlinge auch nach dem Ende der Kampfhandlungen nicht sofort in ihre Heimatländer zurückkönnen.

Wie viele irakische Flüchtlinge leben zurzeit in Deutschland?

Ende letzten Jahres waren es rund 75.000 Menschen.

Günther Beckstein und Wolfgang Gerhardt schlagen vor, Kriegsflüchtlinge nicht nach Deutschland zu holen, sondern vor Ort unterzubringen. Was halten Sie davon?

Diese so genannte Regionalisierung der Flüchtlingspolitik ist unsolidarisch gegenüber den Nachbarstaaten des Irak. Das, was Beckstein und Gerhardt da vorschlagen, motiviert nicht zu flüchtlingsfreundlichem Handeln. Die Industriestaaten dürfen sich nicht auf Scheckbuchdiplomatie zurückziehen.

Warum?

Wer einer Regionalisierungsstrategie das Wort redet, signalisiert den Nachbarstaaten, dass sie allein mit den Flüchtlingsströmen zurechtkommen müssen. Das motiviert die jeweiligen Regierungen, Flüchtlinge dauerhaft in grenznahen Lagern festzuhalten. Solche auf lange Zeit angelegten Provisorien halte ich für nicht akzeptabel.

Wie sollten Deutschland und die anderen EU-Staaten jetzt zusammenarbeiten?

Die EU muss jetzt zu einer koordinierten Flüchtlingspolitik finden. Ich bezweifle, dass das schnell geschehen wird. Nach meinen Informationen ist die EU viel schlechter noch als bei vorherigen Kriegen auf die Flüchtlinge vorbereitet. Das geht wohl darauf zurück, dass man den Krieg zu lange für vermeidbar hielt. INTERVIEW: MATTHIAS BRAUN