Das erschossene Paradies

Schlau, dieses Bremer Füchslein: Mit einem Feuerwerk von Regie-Einfällen feiert Andrej Woron die Überlegenheit der zauberhaften Operntierwelt über das dressierte Menschenleben – und Leoš Janáčeks wunderbar farbenprächtige Musik kann sich voll entfalten

Kaum ein Regisseur hat sich Goethes Aufforderung an die Theaterleute, nicht mit „Prospekten und Maschinen“ zu sparen, so zu Herzen genommen, wie der Pole Andrej Woron, der immer auch sein eigener Bühnenbildner und Ausstatter ist. Und kaum eine Oper ruft so sehr nach der Umsetzung durch eine solche Persönlichkeit wie Leoš Janáčeks „Das schlaue Füchslein“ von 1923. Da ist die Gestaltung von stummen und handelnden Waldtieren gefordert, da stehen Eule und Dachs auf der Bühne, da fliegen Mücken und Libellen, da quaken Frösche: Woron ist in seinem Element.

Die Mücke zum Beispiel stattet er mit einer riesigen Spritze aus. Auf dem Rücken hat der Sänger einen durchsichtigen, mit Blut gefüllten Rucksack. Die Hühner sind Frauen – huch? Ist das ernst gemeint? –, die Lockenwickler auf dem Kopf und als Schwanz drei Paletten Eier tragen. Der Frosch tritt mit Flossen und Taucheranzug auf, der Dachs wütet wie ein Untertagearbeiter in seinem Bau.

Als am Ende alle Tiere zusammenkommen, überträgt sich ein unendlicher Zauber, der natürlich auch und hauptsächlich mit der Geschichte selbst zusammenhängt: Das gefangene Füchslein erlebt Abhängigkeit von den Menschen. Es flieht und demonstriert durch sein authentisches Leben, dass die Menschen das Paradies verloren haben: Symbolisch wird es zerstört, als der Wilderer Harasta das Füchslein erschießt.

Der Förster und seine ungeliebte Frau, der Schulmeister und der Pfarrer füllen sich weitgehend mit Bier an. Die heile Welt des Füchsleins – die Liebesszene mit dem Fuchs und anschließender Hochzeit ist eine der schönsten der Operngeschichte – entfaltet immer wieder ihren Zauber gegen die Menschenwelt. Kein Zweifel, sie ist ihr überlegen, obwohl beide in diesem Werk doch dieselbe Lebensgrundlage haben: den Wald.

Schön, dass der bei Woron kein naturalistisches Wunderwerk ist, sondern mit Projektionen und Abstraktionen gearbeitet wird. Gründlichst wurde die spezifische Körpersprache der Tiere von den DarstellerInnen umgesetzt: Kathryn Krasovec war eine hinreißend wilde und schnüffelnde Füchsin, Sybille Specht ein zuckender Dackel, der zudem – weil so enttäuscht als verkannter Sänger – eine Elvis-Presley-Parodie bietet. Und Katharina von Bülow gibt einen würdevollen Fuchs. Beeindruckendes Profil zeigte auch der Förster von Ivan Dimitrov, ebenso wie Mihai Zamfir in der Rolle des Schulmeisters und Karsten Küsters als Pfarrer.

Im Feuerwerk szenischer Einfälle darf sich die – von Theodor W. Adorno als folkloristisch gründlich missverstandene – Musik entfalten: ddiese wunderbare, der tschechischen Sprache und Natur nachempfundene Musik, die oft minutenlang an einem Grundton hängt, keine Kadenzen kennt, Kirchentöne und deren chromatischen Verfärbungen verwendet und kleinste Motive aneinander reiht. Das ist so ausgeklügelt instrumentiert, dass suggestive Atmosphären entstehen. Generalmusikdirektor Lawrence Renes überzeugte einmal mehr von seiner Lust an der Besonderheit und Intensität des Klanges. Viel herzlicher Beifall. Ute Schalz-Laurenze

Nächste Vorstellungen: 7., 18. und 22. Februar, 19.30 Uhr, Musicaltheater