amerika im krieg (2)
: Ein Tagebuch unseres USA-Korrespondenten Michael Streck

„War Watch“ und „Demo Watch“

Man kann sich über die amerikanische Kriegsberichterstattung nicht beklagen. Von täglicher Bombenkunde über digital-virtuelle Schlachtverläufe bis zum kleinen Panzereinmaleins ist alles dabei. Das Beste: Endlich bekommt man seinen täglichen Wetterbericht für Bagdad (Donnerstagnacht leicht bewölkt, acht Grad Celsius, und Freitag sonnige 20 Grad) mit Dreitagesvorschau. Mit einer großen Tüte Chips und Colavorräten macht man es sich bequem. Statt „Oprah Winfrey“ gibt es nun „War Watch“. Amerikaner müssen immer auf der Lauer liegen und Ausschau halten: nach dem Nachbarn (Neighborhood Watch), dem Sturm (Storm Watch) und dem Schnee (Snow Watch).

Irgendwann wiederholten sich die pensionierten Militärgreise, die von allen TV-Sendern als Kriegsexperten angeheuert wurden, und ich fahre zum Dupont Circle, einem Platz mit Springbrunnen und Kreisverkehr im Washingtoner Stadtzentrum. „Demo Watch“ sozusagen. Stimmt die alte amerikanische Weisheit: Beginnt der Krieg, stirbt der Protest?

Sie stimmt. Zumindest für diesen Tag. Okey, es regnet, aber es gibt Schirme und Regenjacken. Ganze 18 Leute stehen vor einer kleinen Bühne (rund 100 Polizisten dahinter), von der eine junge Frau mit zerzausten Haaren eine Rede schmettert, als spreche sie zu tausenden. Victoria Cunningham ist 23 Jahre und spricht im Namen von „Code Pink“, einer Frauenfriedensgruppe. „Jetzt kommt es darauf an, Kräfte zu sammeln und die landesweiten Netzwerke am Leben zu halten“, sagt sie. Nach Wochen fast täglicher Protestaktionen hat sie auch nichts gegen eine Atempause. Dann kann sie Abstand nehmen von den „Hassbriefen“, die sie geschickt bekommt. „Geh doch nach Frankreich oder Deutschland“, wurde ihr nahe gelegt. Neulich bekam sie eine E-Mail von US-Soldaten: „Es gibt für dich kein Entkommen vor uns. Wir werden dich jagen und zur Strecke bringen.“ Wenn die wüssten, dass ihr Freund ein Marine-Infanterist ist, der wahrscheinlich heute Nacht in einem Helikopter über die Grenze von Kuwait in den Irak geflogen wurde.