Fall vom Bänksche

Zu lange berauschen sich die stolzen Bayern-Bajuwaren an ihrer Größe und verlieren dafür in Frankfurt mit 1:1

FRANKFURT taz ■ Der hünenhafte Mann hinter der Theke des Imbisses auf vier Rädern mit dem Namen „Jumbos Fleisch- und Wurstbraterei“ hatte überhaupt kein Verständnis. Es sei doch Schwachsinn, ausgerechnet heute erstmals und ausnahmsweise knapp 38.000 Menschen Einlass in die unüberdachte, dreikurvige Baustelle Frankfurter Waldstadion zu gewähren: „Un dess nur, weil die Bayern komme!“ Der Wurstsozialist nannte das „Abzocke“. Vom Sicherheitsproblem ganz zu schweigen: „Die sitze do owwe doch wie a Papagei uff’m Schdängsche.“

Vom Schdängsche, pardon vom Bänksche, wäre am Samstag zum Rückrundenstart der Bundesliga aber nur einer fast gefallen. Hätte der dünnbeinige Grieche Ioannis Amanatidis den Ball in der allerletzten Spielminute mit seinem zarten Köpfchen nicht haargenau auf die breite Brust des Münchner Verteidigers Samuel Kuffour genickt, wäre die Landung auf dem Hosenboden für Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld und die Seinen wohl noch härter ausgefallen. Auch so ist nach dem mickrigen 1:1 beim Tabellenletzten der Rückstand zu Tabellenführer Werder Bremen auf sechs Punkte gewachsen.

Ach, hätte die Eintracht in der zweiten Halbzeit doch den Mut sagen wir eines Tabellenvorletzten (das sind sie nun) gehabt, sie hätte die weit geöffneten Räume in der Defensive des planlos anrennenden Titelverteidigers wohl häufiger aufgesucht. Ein Sieg wäre möglich gewesen gegen selbstverliebte Bayern, die nach dem schnellsten Tor der Saison in Führung gingen. Tor-Hexer Roy Makaay traf schon nach 39 Sekunden. „Wir haben nicht konsequent versucht, das 2:0 zu erzielen“, meinte Ottmar Hitzfeld über die 90 Minuten danach. Die stolzen Bajuwaren berauschten sich an der eigenen Überlegenheit, als könnte ihnen hier und heute nichts geschehen. Doch wie schon so oft musste Hitzfeld hernach zerknirscht zugeben: „Wir haben leichtsinnig gespielt und sind dafür bestraft worden.“ Ein unnötiger, aber glänzend ausgeführter Kung-Fu-Tritt des Fußball- Weltmeisters Bixente Lizarazu im Strafraum gegen Frankfurts Chris verhalf den Hessen zum Ausgleich. Ervin Skela verwandelte Sekunden vor dem Pausenpfiff den fälligen Elfmeter. „Das war ein guter Zeitpunkt“, meinte der Albaner zu Recht. Denn während die Bayern bedröppelt und auf den Schiedsrichter schimpfend in die Kabine liefen, verbreitete sich beim bis dahin hoffnungslos unterlegenen Gegner Zuversicht. „Wir haben uns in der Halbzeit geschworen: Dieses Spiel verlieren wir nicht.“

Eintracht-Trainer Willi Reimann, der Realist, erkannte die Schwäche der Bayern, die in Halbzeit zwei zudem wirkten, als wäre der Akku der Spieler nicht wirklich voll geladen, und das trotz des „härtesten Trainingslagers aller Zeiten“ im kleinen Scheichtum Dubai. „Alles Quatsch“, meinte Manager Uli Hoeneß, der glaubt, dass seine Auswahl nur ihren Rhythmus finden muss. Ja, und dann? Deutscher Meister werden? „Die Meisterschaft ist noch lange nicht entschieden“, findet der fast aktionslose Spielmacher Michael Ballack. Real Madrid in der Champions-League schlagen? Dies scheint für die Bayern in dieser Verfassung jedenfalls ungleich schwerer zu werden als für die Eintracht der Klassenerhalt.

Der neue Vorstandvorsitzende Heribert Bruchhagen hauchte der orientierungslosen Eintracht den lange vermissten Sachverstand ein, verpflichtete vom VfB Stuttgart den nervensägenden Dribbler Amanatidis, der ebenso wie der von Leverkusen gekommene Eisenfuß Ingo Hertzsch ein ansehnliches Debüt feierte. „Wir haben eine tolle Stimmung in der Mannschaft“, meinte Reimann, der selber zum Lachen trotzdem noch immer lieber in den Keller geht. Aber dass die Mannschaft der Eintracht wirklich als solche bezeichnet werden kann, ist im Abstiegskampf Frankfurts größter Trumpf im Vergleich zur schweinetruppigen Konkurrenz aus Lautern und Berlin. „Der Punkt gegen Bayern gibt uns Selbstvertrauen“, ist Reimann zuversichtlicher denn je. Aber Vorsicht:. Angst, vom Schdängsche zu fallen, nur weil die Bayern kommen, brauchen derzeit auch andere nicht zu haben. TOBIAS SCHÄCHTER