FLUGHAFEN FRANKFURT: EINE KUNSTSTOFFFABRIK LIEGT GENAU RICHTIG
: Chemische Keule für Koch

So viel Unverfrorenheit war selten und so viel Sturheit noch dazu. Auf der einen Seite setzt sich der hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) vehement für den Erhalt der Arbeitsplätze bei Aventis ein und warnt vor der Übernahme der Pharmafirma durch „die Franzosen“. Auf der anderen Seite gefährdet er durch sein stures Festhalten am Bau einer Landebahn im Nordwesten des Rhein-Main-Flughafens rund 1.000 Arbeitsplätze. Der Bau der Landebahn dort sei nämlich mit der Existenz der Chemiefabrik Ticona nicht vereinbar, stellte der Chef der Störfallkommission des Bundes nach Sichtung aller Gutachten zum geplanten Bau der Rollbahn fest.

Anstatt jetzt über die Realisierung einer Landebahn im Nordosten des Flughafens nachzudenken oder das in der Region ohnehin ungeliebte Projekt angesichts der stagnierenden Flugbewegungen auf Rhein-Main ganz fallen zu lassen, will Koch mit dem Kopf durch die Wand. Falls sich der Ticona-Eigentümer Celanese nicht auf Verhandlungen über einen Umzug oder eine Verbunkerung des großen Werks einlasse, werde man ein Enteignungsverfahren einleiten, drohte Koch. Doch die Ticona-Juristen können sich freuen: Die gesetzlichen Hürden vor einer Enteignung liegen hoch, und das Verfahren kann sich hinschleppen. Mit dem Landebahnbau noch in dieser Dekade wird es dann ganz bestimmt nichts mehr werden. Und im – unwahrscheinlichen – Erfolgsfall wäre dann eine Entschädigung in aktuell geschätzter Höhe von 1,3 Milliarden Euro zu bezahlen; im „freiwilligen“ Umzugsfall allerdings auch. Und zwar sofort.

Von wem? Vom Steuerzahler. Die Flughafenbetreibergesellschaft Fraport AG, die als Bauherr der Landebahn fungiert, gehört mehrheitlich dem Land Hessen, dem Bund und der Stadt Frankfurt. Da sind alle Kassen leer. Die kalkulierten Kosten allein für den Landebahnbau ohne Enteignungsverfahren und Entschädigung sind schon kaum zu stemmen. Das Dilemma von Koch könnte größer kaum sein. Jetzt noch eine unkluge Entscheidung – und Angela Merkel wird Kanzlerkandidatin der Union. KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT