Linke Selbstzerfleischung im FSK

In Hamburgs freiem Radio – dem Freien Sender Kombinat (FSK) – geht es hoch her: Sendeverbote, Prügeleien und Zensurmaßnahmen bestimmen die innerlinke Diskussionskultur. Jetzt wird auch noch ums Geld gestritten

„Sexistische und rassistische Haltung einiger Antideutscher im Sender“

Von MARCO CARINI

Nichts geht mehr im Freien Sender Kombinat (FSK). Das linke, nichtkommerzielle Radioprojekt ist heillos zerstritten. Sende- und Hausverbote, persönliche Anfeindungen und der Rausschmiss ganzer Radiogruppen sind an der Tagesordnung. Selbst zu Handgreiflichkeiten kommt es zwischen den RadiomacherInnen. Mit einer öffentlichen Veranstaltung am heutigen Abend unternimmt „Forumradio“, eine der am FSK beteiligten Radiogruppen, den Versuch, die Konflikte zu diskutieren.

Fast wöchentlich treibt der seit Ende der neunziger Jahre währende Selbstzerfleischungsprozess des linken Radioprojektes neue Blüten. Die fünf Sendegruppen Uniradio, Stadtteilradio, Radio Loretta, St. Paula und Forumradio, die das Projekt tragen, diskutieren längst nicht mehr an einem gemeinsamen Tisch. Stattdessen beschimpfen sich die Radiomacher gegenseitig in einer Unzahl von Flugblättern und Positionspapieren.

Gestritten wird um Form und Inhalt: So wird in einem mit dem FSK-Label versehenen, aber von anonymer Hand verfassten Flugblatt eine „grundlegende politische Differenz im FSK“ ausgemacht, während Gruppen wie „Radyo Göcmen“ eine „strukturelle Krise“ im Sender wittern. Die Frage lautet: Repräsentiert der FSK-Führungszirkel noch die in dem Projekt zusammengeschlossenen Radiogruppen?

Fakt ist: Mit St. Paula und Forumradio arbeiten zwei der fünf Sendegruppen schon seit Monaten nicht mehr in der Anbietergemeinschaft (ABG), dem obersten Organ des Radioverbundes, mit. Sie kritisieren sowohl eine „sexistische und rassistische Haltung einiger Antideutscher im Sender“ sowie eine Gesprächskultur, die durch „Niederbrüllen“ und „das Niederstimmen anderer Positionen ohne jede Diskussion“ gekennzeichnet sei. Zudem kritisieren die Radiogruppen die Praxis der Anbietergemeinschaft, den Sender „von unliebsamen Personen“ zu „säubern“, indem diese mit Haus- und Sendeverboten belegt werden. Fast immer wurden diese senderinternen Zensurmaßnahmen in der Vergangenheit von der ABG damit begründet, bestimmte Radiobeiträge seien „antisemitisch“ gewesen.

Dieser Vorwurf traf etwa die Redaktion „In-Kontakt“, weil sie die Forderung eines in Deutschland lebenden Palästinensers an den Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Paul Spiegel, „klare Worte“ gegen die israelische Aggressions-Politik zu finden, unkommentiert über den Äther schickte. Als einige „In-Kontakt“-MacherInnen das daraufhin gegen sie verhängte Sendeverbot ignorierten, kam es im Kampf um den Zugang zum Sendemikro zur Prügelei zwischen Protagonisten beider Seiten im Treppenhaus des FSK-Studios am Schulterblatt.

Bislang letzter Akt der Posse um die Rettung des linken Reinheitsgebots: Als Konsequenz aus dem Fernbleiben der Forumradio-Deligierten von den Sitzungen der Anbietergemeinschaft, beschloss diese Anfang März „dass Forumradio nicht mehr Teil der Anbietergemeinschaft und damit des FSK ist“. Den unverblümten Rausschmiss konterte die Sendergruppe mit einem Aufruf an die FSK-Fördermitglieder, ihre Beiträge in Zukunft nicht mehr auf das FSK-Konto zu überweisen, sondern direkt Forumradio zur Verfügung zu stellen. Als finanziellen Faustpfand gegen den endgültigen Rauswurf.

Heute, 19 Uhr: Freies Radio in Krisenzeiten – wie weiter im FSK?, Deutsch-ausländische Begegnungsstätte, Amandastraße. 58