Nachrichten aus dem Jammertal

An der Berliner Universität der Künste ist im Januar der brandneue Weiterbildungsstudiengang „Kulturjournalismus“ gestartet. Nun blickt der erste Jahrgang einer ungewissen Zukunft entgegen, denn: Der Kulturszene und dem Feuilleton geht es schlecht

von NINA APIN

„Die Situation ist schlecht, sehr schlecht“, orakelt Stephan Speicher von der Berliner Zeitung und blickt ernst in die Runde. „Schlecht für die Kultur und beinahe noch schlechter für das Feuilleton.“ 21 junge Gesichter blicken den Kritiker entsetzt an: So deutlich hat es ihnen noch keiner gesagt. In der Vorlesung „Kulturkritik“ des Studiengangs Kulturjournalismus an der Berliner Universität der Künste (UdK) sitzen 13 Frauen und 8 Männer zwischen 24 und 36 Jahren, die sich auf das Wagnis eines neuen Studiengangs eingelassen haben, der sie in eine ungewisse berufliche Zukunft führen wird. Kein Wunder, dass pessimistische Prognosen hier nicht so gut ankommen. Zweckoptimismus ist angesagt.

5.200 Euro pro Jahr zahlen die Studierenden schließlich, um sich in nur zwei Jahren zu journalistischen „Anwälten der Kultur“ ausbilden zu lassen. Für die saftigen Gebühren bietet ihnen die UdK eigene Aufenthaltsräume mit Computerpool und Schnittplätzen an – und jede Menge Prominenz: Kuratiert wird der Studiengang von Hellmuth Karasek und Ernst Elitz, dem Intendanten des DeutschlandRadios. In den Ringvorlesungen und Workshops doziert mal Thomas Wagner von der FAZ, und mal lädt Jens Wendland, der Hörfunkdirektor des SFB, zu Radio-Workshops ein.

Ein dreistufiges Bewerbungsverfahren, Studiengebühren und Prominenz, das klingt zunächst elitär. Doch angesichts der dramatischen Ausbildungssituation für Journalisten scheint der Ansatz vernünftig. Journalistenschulen oder Volontariatsstellen, die bislang als Garant für einen Arbeitsplatz in Redaktionen galten, sind rar, viele Jungjournalisten müssen sich erst einmal als „Freie“ durchschlagen. Freie Journalisten aber brauchen mehr als eine gute handwerkliche Ausbildung: Sie brauchen ein eigenes Profil. Und Beziehungen.

Der Studiengang „Kulturjournalismus“ will seine Studenten mit diesen beiden Schlüsselqualifikationen ausstatten: Durch Hospitanzen an der Kunsthochschule sollen die Studenten direkt am Entstehungsprozess von Kultur beteiligt sein, in Vorlesungen, Workshops und Praktika werden ihnen Kontakte zu Redaktionen vermittelt.

Doch was die Studenten aus diesen Kontakten machen, bleibt ihnen selbst überlassen. „Die nächsten zwei Jahre werden kein Spaziergang“, warnt Studiengangsleiter Jörg Hafkemeyer schon beim Aufnahmegespräch. Das stimmt: Statt Semesterferien sind Praktika vorgesehen, an den vorlesungsfreien Tagen finden die Hospitanzen oder Workshops statt. Bei allen Veranstaltungen herrscht Anwesenheitspflicht, Texte und Beiträge müssen außerhalb der Vorlesungszeit geschrieben werden.

Doch eigentlich haben die Jungjournalisten das lustige Studentenleben sowieso schon im Erststudium genossen. Im großen Seminarraum der Bundesallee sitzen unter anderem zwei Architektinnen, ein Mediävist und ein Konzertgeiger. Für Studi-Feten und Hochschulwahlen können sie sich alle nicht mehr begeistern. Lieber wird der regelmäßige Studenten-Stammtisch genutzt, um über Inhalt und Struktur des Studiums zu diskutieren. Und zu diskutieren gibt es noch viel, schließlich wird das Konzept des Studiengangs jetzt zum ersten Mal getestet.

Die Vorkentnisse sind unterschiedlich: Während einige schon über Praxis als freie Journalisten oder sogar über ein abgeschlossenes Volontariat verfügen, haben andere noch keine praktische Erfahrung, dafür aber ein Diplom in Musik- oder Theaterwissenschaft. Doch so verschieden die Hintergründe der Studierenden sind, alle wollen nur das eine: schreiben. Und so wird, wenn Tagesspiegel-Cheffeuilletonist Peter von Becker einen Rezensionsworkshop anbietet, nach der Uni fieberhaft der Tschechow gewälzt, damit die Kritik über die „Drei Schwestern“ am Morgen nach dem Theaterbesuch auch vor kritischem Publikum bestehen kann.

Für die Aneignung des kulturellen Fachwissens sind die Studenten selbst verantwortlich: regelmäßig die Feuilletons lesen, Radio hören, Fernsehen und ins Theater gehen. In zwei Jahren, so hoffen viele, werden sie zu Experten in Sachen Kultur und können dem „Kulturgejammer“ in der deutschen Feuilletonlandschaft etwas entgegensetzen. Oder mitjammern.

Denn die Situation ist tatsächlich schlecht. Und ob der neuartige Studiengang, wie die UdK glaubt, als Alternative zu einem Volontariat anerkannt wird, ist allein vom guten Willen der Sender und Redaktionen abhängig.