Spätes Erwachen rettet das Spiel

Alves und Preetz biegen kurz vor dem Schlusspfiff das Unentschieden gegen Energie Cottbus in einen glücklichen 3:1-Sieg um. Zuvor hatte Hertha den Brandenburgern alle Hoffnung gemacht, dass der Abstieg noch nicht feststeht

Vor dem Spiel geben die Fans der Ostkurve immer die ebenso programmatische wie martialische Devise fürs Spiel aus. Diesmal stand auf dem Transparent: „Schiebt das Pack in den Abgrund.“ Gemeint war der FC Energie Cottbus, der als Tabellenletzter ins Olympiastadion gekommen war. Aber Herthas Elf kam dem üblen Geheiß der Ultraanhänger über weite Strecken des Spiels nicht nach. Gewonnen haben sie trotzdem. 3:1 hieß es am Ende nach Toren von Preetz und Alves kurz vor dem Schlusspfiff. Wahrlich ein glücklicher Sieg, der Berlin auf Platz vier befördert.

Die Mannschaft von Trainer Huub Stevens spielte in der ersten Halbzeit nämlich so, als müssten alle nur erdenklichen Maßnahmen ergriffen werden, um die Lausitzer in der Ersten Liga zu halten. Die fußballerischen Bemühungen des Tabellenfünften erschienen wie ein kollektives Notprogramm für den unter akuter Punktarmut leidenden Verwandten aus Brandenburg. Die Hertha-Fans unter den 44.000 Zuschauer konnten anfangs im gesamten Arsenal des enttäuschten Fußballfans kramen und wurden deutlich hörbar bei den Vokabeln „pomadig“, „teigig“, „träge“ und „uninspiriert“ fündig. Zwar erspielte sich ihr Verein ein Übergewicht, was Spielanteile und Ballbesitz angeht, doch war er auf eine Standardsituation angewiesen, um zu einer Chance zu kommen. In der 38. Minute knallte ein Freistoß von Stefan Beinlich an die Latte des Cottbusser Tors. Doch zu diesem Zeitpunkt stand es längst 0:1 für den FC Energie. Früh hatte Vagner einen schönen Konter zum Treffer genutzt.

Es hätte nicht der einzige Erfolg für die in rot-weißen Leibchen spielenden Gäste sein können. Ein ums andere Mal rollte ein Gegenstoß auf den Kasten von Gabor Kiraly zu. Bälle verfingen sich im Mittelfeld und wurden von Cottbus umgehend und in Überzahl zurück zu den Herthanern transportiert. Cottbus stand wiederholt vorm 2:0, scheiterte freilich an individuellen Unzulänglichkeiten.

Hertha BSC wurde mit Pfiffen in die Halbzeitpause entlassen. Und Cottbus von einem weiteren Plakat der Nordkurve empfangen. Von Gurken und Bauern war da zu lesen. Die Spieler sollte es nicht weiter interessieren. Sie waren mehr als ausgelastet, den knappen Vorsprung zu verteidigen. Hertha kam offensichtlich mit dem Vorsatz aus der Kabine, das spielerische Desaster der ersten 45 Minuten vergessen zu machen. Michael Preetz per Kopf sowie Freistöße von Marcelinho und Stefan Beinlich hätten für den Ausgleich sorgen können. Ein Versuch von Thorben Marx aus Nahdistanz strich knapp übers Tor.

Herthas Trotzreaktion, die einer lauten Kabinenpredigt der Herren Hoeneß und Stevens geschuldet gewesen sein dürfte, verebbte kurzfristig. Cottbus sammelte sich und bemühte sich wieder um jene punktgenaue Zuordnung in der Abwehr, die Preetz und Luizao zunächst so schlecht aussehen ließ. Auch im Angriff lief’s wieder besser. Der FC Energie war drauf und dran, Hertha wiederum sein Konterschema aufzuzwingen. Moussa Latoundji war wenige Zentimeter vom 2:0 entfernt, während Herthas Defensive wieder vom eigenartigen Helfersyndrom befallen wurde. Dass es doch noch zum Ausgleich von Dárdai reichte, war den schwindenden Kräften der Gäste zuzurechnen. Die Nordkurve jubelte danach: „Cottbus – 2. Liga!“ Der Abgrund ist näher gerückt.

MARKUS VÖLKER