Die Schattenfahrer

Der italienische Radprofi Paolo Bettini gewinnt Mailand–San Remo, während die deutschen Teams sich mit unsportlichen Themen profilieren

aus San Remo MIRJAM FISCHER

Einiges blieb beim diesjährigen Weltcupauftakt im Dunkeln. Etwa: Hatte Niki Aebersold, Radprofi beim Team Coast, eine Chance? Eher nicht. Nicht beim Frühjahrsklassiker Mailand–San Remo. Am giftigen Aufstieg zur Cipressa war alles vorbei, und der spätere Sieger Paolo Bettini hatte dort das Tempo für die bereits Beinkranken längst versaut. So hat es wieder kaum für Furore gesorgt im deutschen Fernsehen und als Werbung gereicht für den deutschen Sponsor.

Dabei hatte der Schweizer Aebersold tapfer versucht, allen davonzufahren, um sein Trikot ins rechte Licht zu rücken. Aber der Rest des achtköpfigen Teams bestand aus zu kleinen Fischen für das Rennen der großen Namen. Womit man beim Schattenthema wäre: Coast sorgte bislang für Wirbel nur mit dem teuren Einkauf von Jan Ullrich und dem Hickhack um die Zahlung von Gehältern. Ob Letzteres üblich ist oder ob Neider beim Radsportverband UCI den deutschen Shootingstars Böses wollen, steht auf einem anderen Blatt.

Tatsache ist: Unter diesen Umständen stand das Team Gerolsteiner nun wieder die ganze Zeit im Schatten. Wie in den letzten Jahren in dem von Telekom. „Ein Schattendasein muss ja nicht schlecht sein“, sagte Gerolsteiner-Teamchef Hans-Michael Holzcer in San Remo. Besser die Leute reden gar nicht über einen als schlecht, findet er. Und vernachlässigt fühlen sich seine Profis von den Medien auch nicht. Bei Gerolsteiner wirken alle Fahrer bodenständig, und dann hat ja zuletzt Holzcers italienischer Gastarbeiter Davide Rebellin Werbung mit dem dritten Platz bei Paris–Nizza gemacht und nun auch bei Mailand–San Remo die Sprinter früh attackiert. Was ja auch funktioniert hat, nur bei Bettini nicht, der einfach der Stärkste war und verdient gewonnen hat. „Aber die Taktik war gut umgesetzt“, sagte Holzcer, und die Sprintspezialisten haben am Ende alt ausgesehen, was das Gewinnen angeht. Nur auf der letzten Rampe vor dem Ziel habe der Davide irgendwie den rechten Augenblick verpasst, zu lange gezögert und wurde abgehängt. Aber: Aus dem Schatten ist er eindrucksvoll herausgetreten für seine Gerolsteiner. Eigentlich vorher schon: alleine durch den Umstand, dass Rebellin in Italien Verbindungen zum Dopingarzt Lazzaro vorgeworfen wurden. Die Ermittlungen sind inzwischen eingestellt, aber ein Nachgeschmack bleibt in solchen Fällen immer. Und selbst Holzcer, der seinem Fahrer und dessen Anwalt lieber glaubt, sagt doch: „Vielleicht verarschen mich ja alle beide.“

Bei Coast wiederum machte immerhin der Zugang von Telekoms Startaktiker Rudy Pevenage Schlagzeilen. Der wirkte noch vor der großen Taktiererei, am Tag vor dem Start, seltsam traurig. Vielleicht ist er ja doch nicht ganz sicher, ob es sich lohnen wird, Telekom verlassen zu haben, nur weil Jan Ullrich vielleicht irgendwann ein zweites Mal die Tour de France gewinnt. „Na ja, das Jahr geht schnell vorüber“, tröstete sich der Mann nach der knapp 300 Kilometer langen Fahrt in den Frühling.

Beim Lichtgespinst der deutschen Radsportszene, beim Team Deutsche Telekom, dagegen hat der viermalige Mailand–San-Remo-Gewinner Erik Zabel kürzlich zum Besten gegeben, er sei gar kein Sprinter mehr, der gegen einen Mario Cipollini gewinnen könne. Nun hat Vorjahressieger Cipollini diesmal auch nur den vierten Platz erspurtet, dafür im Ziel aber zwei Kollegen von der französischen Konkurrenz geohrfeigt. Man erfuhr nicht, warum. Der sechstplatzierte Zabel meinte nur: „Ich war echt froh, dass der nicht auf mich sauer war.“ Sicher aber war: Cipollini hatte es wieder geschafft, trotz Niederlage medienwirksam aus dem Schatten zu treten.