Die Grenze zum Nordirak ist dicht

In der Türkei warten Helfer auf den Einsatz im Norden des Irak. Tausende sollen dort auf der Flucht sein. In Bagdad sitzen irakische Mitarbeiter von Care International fest

BERLIN taz ■ Informationen aus erster Hand? „Schier unmöglich“, sagt Sid Peruvemba. Der Leiter der Not- und Katastrophenhilfe des Malteser-Hilfsdienstes sitzt seit drei Tagen im türkischen Silopi, zehn Kilometer vom Irak entfernt. „Die Grenze zum Nordirak ist absolut dicht, nicht mal das UNHCR kommt rein. Alles, was wir derzeit tun können, ist, humanitäre Hilfe vorzubereiten.“ Der Iraker Talat Zulal von der türkischen Partnerorganisation der Malteser wartet auf die Genehmigung der türkischen Behörden, die Grenze zu passieren. Dabei kann Zulal es kaum erwarten, in den Irak zu kommen. Seine Familie lebt in Kirkuk, seit dem Bombardement der Stadt am Samstag hat er nichts mehr von ihr gehört.

Noch bleiben die großen Flüchtlingsströme aus. Bis zu 500.000 sind nach UN-Schätzungen im Nordirak „in Bewegung“. Diese Zahlen müsse man „relativieren“, sagt Wolfgang Jamann, Leiter für Humanitäre Hilfe bei World Vision Deutschland. Die Mehrheit der am Samstag aus Mosul und Kirkuk, Erbil und Dahuk vor den Bombardements Geflohenen sei bereits zurückgekehrt oder bei Verwandten untergekommen. Rund 5.000 Flüchtlinge sollen jedoch aus den von Saddam Hussein kontrollierten Gebieten in den Norden gekommen sein. „Denen soll es richtig schlecht gehen, die konnten nichts mitnehmen“, sagt Jamann. Aus Syrien heiße es inzwischen, die Grenzen für Flüchtlinge würden geöffnet. Aus bislang einem würden nun drei Auffanglager.

World Vision will bis zu 5 Millionen Euro für Nahrungsmittel und rund 2 Millionen für Zelte, Decken und Hygienebedarf zur Verfügung stellen. Als größter Partner des Welternährungsprogramms würde die Organisation wahrscheinlich auch die UN-Nahrungsmittelhilfe mit umsetzen.

Auch Care International führt Verhandlungen mit den UN. Die Organisation leistet mit 60 lokalen Mitarbeitern in Bagdad und im Südirak seit zehn Jahren Hilfe. Edith Wallmeier, Nothilfekoordinatorin von Care Deutschland, hat in der Nacht zum Sonntag die letzten Nachrichten bekommen. Seit Beginn der Bombardements am Freitag sitzen ihre Mitarbeiter, die sonst 97 Kinderkliniken versorgen, zu Hause fest. 5 Tonnen Nahrungsmittel können nicht verteilt werden. Wie die Lage sich angesichts wochenlanger Bombenangriffe oder Häuserkämpfe in Bagdad entwickelt, mag sich Wallmeier nicht ausmalen. Die Krankenhäuser haben kaum Vorräte, pro Klinik warten 50 bis 100 Kinder auf die nächste Ration Zusatznahrung. Über die Hälfte der unter 5-Jährigen sind schon jetzt unterernährt. ANETT KELLER