Wo das Sonnenlicht zeichnet

Die Schönheit liegt im Auge des Betrachters: Die Ausstellung „Spot on Bamako“ in der ifa-Galerie stellt eine selbstbewusste Generation afrikanischer Fotografen vor, die den exotistischen und postkolonialistischen Blick überwunden haben

VON MARKUS WOELLER

Seit die „Rencontres Africaines de la Photographie“ vor vierzehn Jahren zum ersten Mal stattgefunden haben, hat sich das Festival zu einer der wichtigsten kulturellen Veranstaltungen Afrikas entwickelt. Als Biennale für afrikanische Fotografie war es 1994 in Bamako, Mali noch auf Initiative zweier französischer Reportagefotografen, dem früheren Biologen Bernard Descamps und der passionierten Backpackerin Françoise Huguier, initiiert worden. Unter der Leitung des Autors und Kunstkritikers Simon Njami etablierten sich die Rencontres bald zunehmend als Brennpunkt für zeitgenössische Fotografie aus Afrika – für ein afrikanisches Publikum. Nicht zuletzt sind die Rencontres deshalb so populär geworden, weil sie den ganzen Stadtraum und damit die Öffentlichkeit Bamakos mit einbezogen haben.

Das manchmal schwierige Verhältnis von Stadt und Peripherie zeigt sich an der Auswahl, die der letztjährige Mitkurator, Akinbode Akinbiyi, nun für die Präsentation eines Konzentrats der Biennale in der ifa-Galerie in Berlin gefunden hat. Akinbiyi, selbst Fotograf, versucht die ganze fotografische Bandbreite im begrenzten Raum der Galerie abzubilden. Neben Street Photography und Landschaft, Porträt und Reportage bindet er auch die erstmals auf den Rencontres gezeigte Sparte Videokunst mit ein. Die ägyptische Multimediakünstlerin Amal Kenawy zielt auf die Wirklichkeit hinter dem physisch Erlebbaren ab und überformt gefilmte Performances mit animierten Trickzeichnungen. Jodi Bieber aus Südafrika bleibt mit Schwarzweiß-Fotografien in der bitteren Realität, verlässt aber den Kontinent und senkt ihren Blick auf die Parallelwelt der Drogenabhängigen, HIV-Infizierten und Obdachlosen im spanischen Valencia.

Die Fotografien von Nontsikelelo Veleko, in Südafrika als „Lolo“ bekannt, unterscheiden sich auf den ersten Blick kaum von den Schnappschüssen hiesiger Modeblogger und Streetfashionistas, die gut oder wenigstens kreativ gekleideten Menschen auf der Straße auflauern und sie zum visual content ihrer Webseiten befördern. In ihrer Serie „Die Schönheit liegt im Auge des Betrachters“ porträtiert Lolo junge JohannesburgerInnen, die sich stolz in Szene setzen, auch wenn ihre Kleider selbst genäht sind oder die Clutchbags nicht von französischen Taschencouturiers stammen, sondern aus Folie und Coladosen zusammengeklebt sind. Sie lotet das Verhältnis von Kleidung und Pose als zentrales Motiv jugendlicher Identitätsstiftung aus, jenseits von Konsumgläubigkeit, dafür im konfrontativen Spiel mit dem urbanen Publikum.

Auch Saïdou Dicko aus Burkina Faso fotografiert die Menschen auf der Straße. Allerdings nur ihre Silhouetten, die das Sonnenlicht als Schattenriss auf Mauern und Pflaster wirft. Auf ganz einfache, doch in der Reduktion poetische Weise zitiert er künstlerische Gattungen – die malerischen Farbfeldabstraktionen der leuchtenden Wände, die zeichnerische Kontur des Schattenwurfs und die fotografische Bildkomposition. Das erinnert an die Scherenschnitte von Kara Walker, die performativen Fotografien von Robin Rhode oder die medialen Arbeiten von William Kentridge.

Ein Schwerpunkt der zeitgenössischen afrikanischen Fotografie scheint auf der Dokumentation der Veränderung der Lebens- und Arbeitsräume zu liegen. Soavina Ramaroson streift in ihrer Serie „vis-à-vie“ durch die urbanen Strukturen ihrer madagassischen Heimatstadt Antananarivo. Das Wortspiel des Titels deutet an, dass es ihr nicht darum geht, ihr Gegenüber nur zu dokumentieren, sondern zu zeigen, wie andersartig das Leben auch in allernächster Nähe ablaufen kann. Entfernung und Entfremdung sind dagegen die Themen von Sammy Baloji. Er collagiert koloniale Personenaufnahmen und aktuelle Landschaftspanoramen zu Allegorien über die heutige Situation in seinem politisch traumatisierten Heimatland, der Demokratischen Republik Kongo.

Bei aller Unterschiedlichkeit der fotografischen Positionen macht die Ausstellung „Spot on… Bamako“ vor allem eines deutlich: Der jahrhundertelang gepflegte, exotistische, (post-)kolonialistische, hierarchische Blick findet hier nicht statt. Weil er nicht nur anmaßend, sondern auch uninteressant ist. Denn die Rencontres Africaines de la Photographie wenden sich selbstbewusst an ein modernes, städtisches Afrika mit einer jungen Bevölkerung, die entschlossen ist, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen. Für die Befreiung zumindest aus den visuell tradierten Klischees bedeutet die Foto-Biennale eine wirkungsvolle Strategie.

Bis 11. Januar 2009, ifa-Galerie Berlin, Linienstraße 139/140, Di.–Fr. + So. 14–20 Uhr, Sa. 12–20 Uhr