Bewegend erstarrt

Von Hasen und Männchen: Galerie Kramer zeigt filigrane Bronzeplastiken der Berliner Künstlerin Kerstin Grimm

Auf langen Stäben ragen sie in den Raum: unten ein schwerer Sockel, oben ein schmales Plateau, gebogen, wellig, schartig, als wäre es aus Baumrinde. So wie ein Schiffchen, das den Rinnstein entlanggleitet, ein Miniatur-Floß in luftiger Höhe.

Die Figürchen auf ihnen sind allerdings keine standhaften Zinnsoldaten: Kerstin Grimm schickt auf ihnen winzige Bronzeskulpturen – die mit Abstand größte ist nur 42 Zentimeter hoch – von Menschen und Tieren auf „die große Flussfahrt“. Zu sehen ist der Zyklus derzeit in der Bremer Galerie Kramer.

Filigran und zerbrechlich gemahnen Grimms Plastiken an Arbeiten Alberto Giacomettis. Doch anders als bei dem Klassiker stehen ihre Figuren nur selten allein. Die Berliner Künstlerin schafft Gruppen, verrätselte und anspielungsreiche Konstellationen.

Dabei bedient sie sich skrupellos der abendländischen Ikonografie, ohne deren Grenzen zu respektieren: „Jüngstes Gericht“, das hört sich nicht nur so an, als würde hier der christologische Kontext aufgerufen. Das sieht auch so aus: Ein Engel oben mit einer Waage, in deren Schalen Persönchen sitzen, und krampfhaft versuchen, das Gewicht zu manipulieren. Madonna mit Tier: Auch das klingt apokalyptisch. Lamm – na, das ist leicht zuzuordnen. Aber warum heißt das, was aussieht wie eine Kreuzigungsgruppe „Spiel“? Verweist ein radikal reduktionistischer Rabe – nur Kopf, Bein, Schnabel – auf babylonische Symbolsprache, ist er ein Unglücksbote oder gar Hans Huckebeins Nachfahre? Und was mit all den Hasen?

Das ist ein Trick, ein Kunstgriff, ein gelungener: Die tradierten Bedeutungen werden in schwankende, schwebende Bewegung versetzt, alles fließt – obwohl es doch erkaltet ist und erstarrt. Benno Schirrmeister

Galerie Kramer, Vor dem Steintor 46, mittwochs bis freitags 10 bis 18 Uhr. Finissage am 30. April