In den Ateliers trocknen die Pinsel

Berlin spart an der Atelierförderung. Das Land senkt die Subventionen um 100.000 Euro, 30 Ateliers müssen schließen, in 60 Räumen in Mitte geht ebenfalls das Licht aus. Kunstszene ist empört, der Kultursenator nicht

Der Ateliermarkt habe sich entspannt, heißt es aus dem Hause Flierl

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Ateliers bildender Künstler sehen schön aus. So auch das der Gruppe Odious in einer alten Fabrikhalle auf dem Schöneberger Südgelände. Oder das der Ateliergemeinschaft Milchhof in Berlin-Mitte. Es ist der Charme aus Chaos und Kreativität, der anzieht. Hier stehen stählerne Skulpturen herum, schon ein wenig rostig. Dort thronen große Hebebühnen über Steinblöcken und Eisenteilen. Farbspritzer sind über den Fußboden verteilt, Pinsel liegen da und unfertige Bilder. Natürlich fehlt nie der übervolle Aschenbecher, und dann und wann steht da die leere Flache, aus der nun Terpentingeruch entweicht.

Rund 6.000 bildende Künstler leben und arbeiten in Berlin, und für einige – wie auch für Besucher und Käufer – wird es in Zukunft diese Atmosphäre nicht mehr geben – es sei denn, sie mieten sich privat teure Ateliers an. Denn mit der jüngsten Entscheidung des Hauptausschusses im Abgeordnetenhaus, die Atelierförderung gemäß dem Nachtragshaushalt 2003 um 100.000 Euro zu kürzen, geht in rund 30 Räumen das Licht aus. Die Künstler stehen damit auf der Straße. Außerdem, mahnt der Berufsverband Bildender Künstler (bbk), stehe der Bezirk Mitte „vor einem Verlust“ seiner Atelierlandschaft. Dort sollen die 60 Arbeitsstätten im Haus Schwarzenberg und im Milchhof in der Anklamer Straße geschlossen werden. Die Immobilien stehen vor dem Verkauf.

Seit 1993 fördert das Land mit 1,22 Millionen Euro die Anmietung von Ateliers vorwiegend für junge und neu in die Stadt gekommene Künstler. Ganze Häuser und Hinterhöfe in Bezirken wie Kreuzberg und Schöneberg, in Mitte und Prenzlauer Berg. Bevorzugte Objekte der Kreativszene sind dabei Fabrik- oder Gewerbeetagen und alte Industrieanlagen oder Lagerhallen mit dem Ambiente des Unfertigen. Das Engagement des Senats dient sowohl der Existenzsicherung als auch der Absicht, die Künstler in Berlin zu halten. Denn neben den „unterstützenden Maßnahmen“ habe sich im Lauf des 10-jährigen Bestehens des Atelierprogramms gezeigt, „dass die internationale Präsenz unter den Berliner Künstlern und Künstlerinnen stärker geworden ist“, sagt etwa Matthias Flügge, Vizepräsident der Akademie der Künste. Jeder zur Verfügung gestellte und öffentlich subventionierte Raum bilde ein „strategisch grundlegendes Instrument für eine Branche, die für das kulturelle Image von Berlin eine besondere Bedeutung hat“, sekundiert Rainer Ernst, Rektor an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee.

Zwar kämpfen die Atelierbeauftragten des bbk schon seit Jahren gegen die Versuche der Landeshaushalte, den derzeit rund 280 Räume sichernden Etat abzusenken. Aber zum Jubiläum 2003 ist es nun traurige Tatsache. Natürlich habe es Schließungen und Räumungen wegen Vermieter- und Nutzungswechsel immer gegeben, sagt Atelierbeauftragter Florian Schöttle. Etwa in der Oderberger Straße. Aber die Kürzung von 1,22 auf 1,12 Millionen Euro schicke nun gleich mehrere Dutzend Künstler auf die Straße – ohne Aussicht auf die Rücknahme der Entscheidung.

Der Stellenwert der Etatreduzierung bedeutet nach Ansicht von Festspiele-Intendant Joachim Sartorius, „dass das Land seiner Fürsorge für Kultur und Künstler nicht mehr nachkommen will“. Schöttle sieht es noch gravierender. Der Betrag sowie das Atelierprogramm seien „unabdingbar“, klopften doch bis zu 2.000 Künstler jährlich bei ihm an. Bei einem durchschnittlichen Einkommen von zirka 690 Euro pro Künstlerkopf müsse die günstige Anmietungs- und Weitervermietungsmöglichkeit „in der Breite auf alle Fälle erhalten bleiben“.

Nicht gelten lassen will Schöttle auch das Argument des Kultursenators Thomas Flierl (PDS), in dessen Verantwortung die strukturelle Absenkung liegt. Anfang der 90er-Jahre seien die Mieten für Ateliers in Berlin in die Höhe geschnellt, in der Folge wurde das Förderprogramm damals aufgelegt. Heute habe sich der Markt entspannt, meint Torsten Wöhlert, Sprecher im Hause Flierl – deshalb sei der „Einschnitt verkraftbar“. Dass es Flierl dennoch nicht geheuer ist, dass seine Künstler darben müssen, beweist seine Reforminitiative „Stiftung Freie Szene“, die mit einem gut ausgestatteten Etat Kunst und Künstler, aber auch Ateliers nachhaltig „vor dem alljährlich möglichen Durchgriff“ bewahren soll, sagt Wöhlert.

Während in anderen Städten wie Stuttgart oder Düsseldorf – die ebenfalls unter Haushaltssorgen leiden – die Atelierförderung eingerichtet oder gar aufgestockt würde, so Schöttle, werde in Berlin infolge der Geldknappheit im Kulturbereich gestrichen, obwohl dieser doch einen „harten Standortfaktor“ für die Stadt bilde. Schöttle lehnt Flierls Stiftungsmodell nicht ab, setzt aber gleich ein paar Eckdaten. Ein solches Programm müsse „auf fünf Jahre angelegt werden“. Nur so entstünde Planungssicherheit für die Ateliers und ihre Künstler. Außerdem braucht es mindestens so lange, bis ein Atelier so richtig den Charme aus Chaos und Kunst, kurz: kreative Patina hat.