„1 Euro ist akzeptabel“

Jochen Esser, Finanzexperte der Grünen-Fraktion, fordert den schnellen Verkauf der Bankgesellschaft. Der rot-rote Senat müsse aber endlich klar machen, welche Risiken noch in der Bank stecken

Interview von RICHARD ROTHER

taz: Heute will der Senat vermutlich über die Privatisierung der Bankgesellschaft entscheiden. Rechnen Sie mit einem Verkauf, oder bleibt es bei der „Stand alone“-Lösung?

Jochen Esser: Ich rechne eigentlich nicht mit einem Verkauf. Ich habe das starke Gefühl, weder der Bankenvorstand noch die Mehrheit im Senat hatten das jemals vor. Das ist bedauerlich, weil so ein Kaufinteressent nach dem anderen vergrault wurde und wir jetzt vor einem Angebot stehen, das der Senat möglicherweise nicht für akzeptabel hält.

Was wäre denn Ihrer Ansicht nach akzeptabel?

Woher soll das ein Abgeordneter so genau wissen? Selbst Lone Star und die Sparkassen haben es nicht geschafft, sich eine Meinung über diesen Sachverhalt zu bilden – und der Senat meines Erachtens auch nicht. So lange gehe ich davon aus, dass jedes Angebot mit einem Kaufpreis von mehr als 1 Euro im Prinzip akzeptabel ist. Bisher fehlen Informationen darüber, was ein Investor an zusätzlichem Geld mitbringen muss. Wir müssen die Investitionsbank (IBB) auslagern, was über 1 Milliarde Euro kostet. Die Beschäftigungssicherungsvereinbarung ist ebenfalls kaufpreismindernd. Und es ist noch nicht gelungen, das Kreditportfolio der Bank so zu durchleuchten, dass ein Erwerber – aber auch das Land Berlin, wenn es allein weitermacht – sicher sein kann, dass nicht Verluste in Milliardenhöhe drohen.

Berlin hat die Risiken aus dem Immobilienfondsgeschäft doch schon übernommen.

Zum Teil ja. Aber die Prominentenfonds, die Aubis-Kredite oder den Lausitzring zum Beispiel nicht. Und der größte Brocken sind die Großkredite, die die Bank an unsere örtliche Bauwirtschaft, aber auch an Unternehmen in ganz Deutschland vergeben hat. Die Bank war bei vielem dabei, ob das Holzmann gewesen ist oder Flowtex. Es ist immer wieder die Rede davon, dass es problematische Kredite in einer Größenordnung von 4 bis 4 Milliarden Euro gibt. Dafür gäbe es 2 Milliarden Risikovorsorge.

Dass das nicht transparent gemacht wurde, daran sind auch die Verhandlungen mit Lone Star und mit den Sparkassen gescheitert. Will man den Kaufpreis analysieren, kommt man im schlimmsten Fall auf 1 Milliarde für die IBB, vielleicht 2 Milliarden Kreditrisiken und dazu noch einen Abschlag, der für die Beschäftigungssicherung hingenommen werden muss. Das wäre zusammen genommen ein Betrag zwischen 2 und 4 Milliarden, den man von einem gewünschten Kaufpreis abziehen muss.

Was ist eigentlich lukrativ an der Bankgesellschaft?

Das einzig Lukrative sind ihre Stellung bei den Kunden und ihr hoher Marktanteil im Retailbanking, dem Massenkundengeschäft. Alles andere ist eher Ballast.

Würde ein Verkauf den Haushalt entlasten, oder bedeutete er nur neue Risiken?

Das kann niemand mit letzter Sicherheit sagen. Der Senat ist hier in der Beweispflicht. Er muss die Bank bei den Abgeordneten und in der Öffentlichkeit so transparent darstellen, dass man sich sicher sein kann, dass es sich lohnt, sie allein weiterzubetreiben.

Was würde es für Berlin bedeuten, wenn die Bank nicht verkauft werden kann?

Die „Stand alone“-Lösung wird dem Land und dem Steuerzahler noch eine Menge Ärger machen, weil das ohne zusätzliches Geld nicht möglich ist. Uns ist beispielsweise bei der Risikoabschirmung versichert worden, dass sich das Rating, also die Bewertung der Bank am Kapitalmarkt, verbessert, wenn wir eine Garantie für 21,6 Millionen Euro übernehmen. Das war dann aber nicht so.

Am Rating hängt aber die Refinanzierung der Bank und damit auch ihre Möglichkeit, im Massenkundengeschäft, in dem die Margen sehr knapp sind, zurechtzukommen. Das wird heute damit überbrückt, dass die Landesbank mit ihrer Gewährträgerhaftung eingesetzt wird auf dem internationalen Kapitalmarkt. Damit ist 2006 aber Schluss, dann muss die Bank allein klarkommen. Die Bank wird so immer mehr zum Schuldner der Landesbank und damit des Landes Berlin.

Was sollte der Senat jetzt tun?

Der Senat muss Klarheit schaffen, welche Risiken in dieser Bank noch stecken. Dann weiß man auch, was ein angemessener Verkaufspreis sein könnte.