Fauch dich frei

Live in Bremen: Marla Glen versucht ein Comeback und stellt ihre jüngste CD „Friends“ vor

Manko zum Glück: mit irrsinniger Stimme & zartem Resonanzkörper gegen Format-Pop

Das mit Gottes Unfehlbarkeit ist manchmal schwer nachzuvollziehen. Da kratzt man sich schon mal am Ohr, wenn ein hageres und winziges Androgyn mit einer derart voluminösen und geschmirgelten Tieftönerei loslegt, dass damit bestens für die jüngste Generation von Bassreflexboxen geworben werden könnte.

Aber gerade solche Widersprüche wecken Interesse. Wie ist in diesem schmalen Körperraum nur Platz für so viel Stimme, die nach 200 Jahren Bluesreife klingt?

Mit diesem Stauneeffekt wurde Marla Glen vor zehn Jahren in den Star-Himmel gehypt, versehen mit dem Image des armen Ghetto-Kids, Drogen mampfenden Vamps sowie der verruchten Lesbe. Und nach dem ersten Flop ließ man Glen gleich wieder fallen. That‘s showbiz. Üble Geschichte. In einem Vorort Heilbronns wohnt die Amerikanerin heute. Ende der Legende. Beginn der Karriere?

Auf einem selbst gemalten Plakat „Gerechtigkeit“ einfordernd, Hass auf Manager, Medienbosse, Plattenfirmen, Anwälte verkündend, so steht die inzwischen 43-Jährige jetzt auf der Bühne des Bremer Musikclubs Modernes. Ein gediegenes Erwachsenenpublikum füllt den Saal.

Marla Glen entledigt sich ihrer ehemaligen Erkennungszeichen, Hut und Jackett, verulkt ihre Vergangenheit, kämpft um die Renovierung ihrer Biografie. Und fällt doch hinter sie zurück.

Langatmig und einfach wirr die Ansagen, bestenfalls clownesk die spindeldürre Tanzakrobatik. Mit fahriger Intonation und zwischen all dem Grollen, Fauchen, Röhren, knarzigem Flirten findet Marla Glen keine Linie durch die Songs – und auch keinen gemäßen Ausdruck für die erbaulichen Verse gegen die Ungerechtigkeit der Glen‘schen Welt. Der Joint zu viel Divenhaftigkeit? Das Bier zu viel Partyseligkeit?

Man muss Marla Glen lieben, um durchzuhalten. Denn sie stellt vornehmlich neues Material vor, das im rhythmischen Dickicht von Blues, Soul, Rock, Funk und Reggae keinen unverwechselbaren Stil findet, der zur charismatischen Stimme passt.

Erst nach einem beeindruckenden Chicago-Blues werden die wohlgefälligen Arrangements in eine hitzige R&B-Revue bester Ike&Tina Turner-Tradition überführt. Heftiges Tanzen statt gemütlichem Lächeln. Glens Temperament kämpft nicht mehr gegen die formatierten Pop-Beliebigkeiten, fühlt sich soul-leidenschaftlich zu Hause. Trotzdem bleibt das Repertoire weit weniger interessant als die Figur Marla Glen. Die erstaunliche Antithese von Optik und Akustik. Zartes Figürchen – fordernd maskuline Artikulation. Ein Argument für die Fehlbarkeit Gottes. Unfehlbar reizvoll. Ein Versprechen, dem es leider immer noch an einem Konzept mangelt, daraus künstlerischen Mehrwert zu schlagen. fis