Krieg macht Berlinern Angst

Die Beratungsbranche hat viel zu tun: Vor allem Menschen mit Ängsten reagieren auf die Nachrichten aus dem Irak mit Verunsicherung. Insbesondere Kinder brauchen das offene Gespräch, so Experten

von IMKE ROSEBROCK

Seit Ausbruch des Krieges haben viele Berliner Angst. Gesprächs-Hotlines und Psychotherapeuten verzeichnen eine steigende Nachfrage. „Menschen, die ohnehin unter latenten Ängsten leiden, reagieren viel stärker auf den Krieg“, beobachtet Norbert Merlin, Psychotherapeut und Leiter der Berliner Behandlungseinrichtung für Angst und Panikattacken. Obgleich die Menschen hier nicht direkt vom Krieg betroffen seien, registriert Merlin vermehrt Anrufer, die um Beratungstermine bitten. Noch ist sich der Therapeut nicht endgültig sicher, ob dies im Zusammenhang mit dem Krieg steht, aber das Thema werde in den Telefonaten und Gesprächen immer wieder genannt.

Die derzeitige Situation löse bei den Menschen Ohnmachtsgefühle aus, erklärt der Experte. Sie hätten das Gefühl, die Dinge nicht kontrollieren zu können. „Bei einer Demonstration fühlen sich viele oft sicherer und nicht so allein gelassen, auch wenn sie wissen, dass sie direkt nichts ändern können“, erklärt Merlin die psychologische Bedeutung der Friedensaktionen.

Besonders sensibel reagierten Kinder und Jugendliche auf die Nachrichten vom Krieg, berichtet die Psychologin Birgit Weißwange-Lehmann aus ihrer Reinickendorfer Praxis. Gerade die 14- bis 15-Jährigen seien „schon sehr politisch und fühlten sich jetzt verschaukelt“.

Für sie sei es besonders schwer, zu verstehen, dass die Proteste gegen den Krieg wirkungslos blieben. Der Krieg habe massive Auswirkungen auf Kinder. Das könne bis hin zu körperlichen Reaktionen wie beispielsweise verstärkter Neurodermitis und Ähnlichem führen.

Die Schülerdemos der letzten Tage schätzt die Psychologin als durchaus hilfreich ein. „Das Agieren in der Gemeinschaft, das Zusammenlosgehen, hat sicher vielen geholfen“, sagt sie. Bei Kindern spiegele sich aber vor allem auch das Empfinden der Eltern wider. Es sei wichtig, offen mit den Kindern zu reden und ihnen die Situation zu erklären, ohne dabei Panik zu verbreiten.

Bernd Stefanides, Psychologe an der Humboldt-Universität hatte schon beim Krieg in Afghanistan vor anderthalb Jahren festgestellt, dass die öffentliche Artikulation ein Ausweg aus der Angst sei. „In unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung kann man zu Demos gehen, kann für die Opfer spenden oder Pamphlete an die Politik richten.“ Das helfe.