Gewalt in Nigeria zwingt Ölfirmen zum Abzug

Fast die Hälfte der Förderung des weltweit sechstgrößten Ölexporteurs liegt lahm. Militär jagt Milizen im Nigerdelta

BERLIN taz ■ In Nigerias Ölfeldern eskalieren die Kämpfe zwischen der nigerianischen Armee und Milizen des Ijaw-Volkes. Der US-Konzern Chevron-Texaco schloss am Wochenende aus Sicherheitsgründen Escravos, einen der beiden großen Ölexport-Terminals Nigerias. Chevron hatte zuvor bereits seine Förderung in der westlichen Deltaregion um die Stadt Warri eingestellt. Nigerias größter Ölförderer Shell sowie die französische Elf schlossen sich diesem Schritt an. Shell hat 14 Förderanlagen geschlossen. Die gesamten Produktionsausfälle belaufen sich auf 800.000 Barrel pro Tag, etwa 40 Prozent der nigerianischen Ölförderung. Nigeria ist der größte Ölproduzent Afrikas und der sechstgrößte Ölexporteur der Welt.

Seit einer Woche herrscht in der Region um Warri Krieg zwischen Milizen des Ijaw-Volkes auf der einen Seite und Milizen der Itsekiri sowie der nigerianischen Streitkräfte auf der anderen. Die Ijaw, mit acht Millionen Menschen die größte Ethnie des Nigerdeltas, sehen sich durch die gegenwärtige Ziehung der Gemeindegrenzen und Aufteilung der Wahlkreise im Vorfeld der für 19. April angesetzten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen gegenüber den kleineren Volksgruppen benachteiligt und wollen nun mit Gewalt die Bevölkerungsverhältnisse verändern. Die Ijaw-Milizen haben mehrere Itsekiri-Dörfer vollständig zerstört; außerdem haben sie sechs Shell-Ölförderanlagen sowie drei von Chevron und zwei von Elf besetzt und drohen, sie in die Luft zu sprengen.

Nigerias Regierung hat über 1.000 Soldaten in die Stadt Warri geschickt, die in den letzten Jahren schon mehrmals Schauplatz ethnischer Gewalt war. Die Marine ist außerdem auf den unzähligen Wasserwegen des Deltas unterwegs und jagt in Schnellbooten die Milizen, die sich ebenfalls in Schnellbooten bewegen. Die Marine hat eine ganztägige Ausgangssperre verhängt und sich in zahlreiche Scharmützel mit den Milizen verwickelt.

Am Sonntag soll das Militär das Dorf Okpelama beim Ölterminal Escravos angegriffen und eine unbekannte Anzahl von Menschen getötet haben. Außerdem erklärten Ijaw-Gruppen, drei Ijaw-Dörfer seien in einem „genozidalen Angriff“ zerstört worden. Die Ijaw drohten, in Reaktion die Marinebasis in Warri anzuzünden. Nigerias Regierung erwägt nun den Einsatz von Militärhubschraubern, um den Milizen mit Luftangriffen statt der offenbar verlustreichen Marineaktionen zu Wasser beizukommen.

Ob die Wahlen im Nigerdelta überhaupt stattfinden können, ist zweifelhaft. Ohnehin häuft sich im nigerianischen Wahlkampf politische Gewalt, was einen fairen Wahlablauf zunehmend in Frage stellt. D.J.