amerika im krieg (4)
: Ein Tagebuch unseres USA-Korrespondenten Michael Streck

Prinzipientreue und Einheitsfront

Wann immer es in den letzten Wochen um den Irakkonflikt ging, habe ich neidisch nach Großbritannien geschaut. Leidenschaftlich lieferten sich Gegner und Befürworter eines Krieges rhetorische Gefechte. So erbittert auch ihre Meinungsverschiedenheiten waren, so sehr wurden sie respektiert. Niemand wäre auf die Idee gekommen, Robin Cooks Rücktritt aus der Regierung als Protest gegen Tony Blairs Kriegskurs als unpatriotisch zu beschimpfen. Im Gegenteil, seine im politischen Geschäft selten gewordene Prinzipientreue wurde geachtet. Ganz anders in Amerika. Grundsätzlich gibt es genauso heftige Kritik an Bushs Kriegspolitik wie in Europa. Gegner eines Militäreinsatzes hatten jedoch, schon bevor der erste Schuss fiel, immer mit dem Geruch des „Unpatriotischen“ zu kämpfen. Kaum fallen die Bomben, verstummt der Widerspruch ganz. Da wandelt sich ein demokratischer Fraktionsführer im Senat binnen 72 Stunden vom scharfzüngigen Bush-Kontrahenten zum bedingungslosen Jasager und mit ihm gleich die ganze demokratische Kollegenschar. Und ultrakonservative und liberale Außenpolitik-Experten, die sich unversöhnlich gegenüberstanden, unterzeichnen plötzlich eine gemeinsame Erklärung, in der sie Bushs Irakkrieg vehement unterstützen. Ist Krieg, gilt Opposition als Vaterlandsverrat. So viel zur Regel.

Doch Amerikaner können auch anders. Sonst zahme Presserunden im Fernsehen lassen auf einmal angriffslustige Journalisten auf die Regierung los. „Ich habe einfach ein Problem mit Leuten, die Demokratie in den Irak exportieren wollen, aber noch nicht einmal mit demokratischen Grundregeln wie Meinungsfreiheit in diesem Land umgehen können“, fauchte eine Reporterin auf dem Antennenkanal ABC in Richtung Weißes Haus. Vergesst CNN, MSNBC, Fox News und all den gleichgeschalteten Kabelkram. Guckt ABC mit dem stichelnden Moderator Peter Jennings (vielleicht weil er Kanadier ist).

Dieser Sender hatte auch die Übertragungsrechte für die Oscar-Verleihung. Viel wurde vorab spekuliert, ob sich Schauspieler von einer angeblichen „Black List“, ABC und Zensur einschüchtern lassen würden. Nichts von alledem. Bei vielen stand die Kritik zwischen den Zeilen, wie bei Dustin Hoffman. Der Dokumentarfilmer Michael Moore („Bowling for Columbine“) äußerte sie mit voller Schärfe zum Missfallen so mancher im Publikum. Und der „Pianist“-Darsteller Adrien Brody hielt eine bewegende Dankesrede, in der er sagte, seine Rolle habe ihm zutiefst bewusst gemacht, was Krieg bedeute. Er erhielt stehende Ovationen.