Beliebige Regie-Maßnahmen

Eine für Hamburg neue Dimension szenischer Arbeit: Tilman Knabes misslungene Inszenierung von Giuseppe Verdis „Il Trovatore“ an der Staatsoper

von REINALD HANKE

Hamburgs Oper ist in szenischen Dingen immer wieder für Überraschungen gut. Der zurzeit vielleicht beste Musiktheaterregisseur Peter Konwitschny verweigerte in Die Meistersinger zwei Akte lang die Arbeit – um den Abend doch noch zu einem geradezu genialen Ende zu führen. Berios Vera storia wurde in biederen Filmkulissen szenisch in den Sand gesetzt. Starregisseur Lehnhoff hingegen gelang eine beeindruckende Inszenierung von Poulencs Carmeliterinnen, und die kaum bekannte Karoline Gruber inszenierte unlängst einen großartigen Monteverdi-Abend.

Nun aber gab es bei der Premiere von Verdis Il Trovatore („Der Troubadour“) in der Inszenierung von Tilman Knabe eine für Hamburg neue Dimension szenischer Arbeit zu bestaunen: pseudointellektuellen Pfusch auf abschreckendem Niveau. Schon Dirigent Michael Hofstetter hatte zu Verdi offenbar nur wenig Zugang. Da hörte man ständig deutsches Ufftata statt italienischem Brio. Gespür für das Verdi‘sche Melos, für Rhythmus, Metrum und Temporelationen zeigte Hofstetter an diesem Abend wenig: Fast alles klang grob, schwer oder auch bloß belanglos, nie kam Spannung auf.

Aber selbst wenn Hofstetter in den weiteren Aufführungen ein spannungsreicheres Musizieren gelingen sollte: Die dilettantische Inszenierung, in der nach jedem Bild in aller Gemütsruhe der Vorhang herabgelassen und das Werk in lauter Einzelteile verhackstückt wird, würde ohnehin jegliche innere musikalische Logik zerstören. Zum Glück ist Hofstetter nämlich wenigstens im Handwerklichen seinem Regiekollegen haushoch überlegen und hatte sein Orchester hörbar gut vorbereitet. Schade, dass die sängerische Besetzung nur zwischen gut (Yvonne Naef als Azucena) und sehr mäßig (Mikhail Davidoff als Manrico) schwankte.

Auf der Bühne gab es ein geballtes Regie-Selbstverwirklichungsprogramm zu erleben. Eine Interpretation des Stückes fand nur statt, indem der Ausgangspunkt der Handlung – ein zu Tode gekommener Säugling – symbolhaft als Büste auf der Bühne platziert wurde. Die wurde von Alfred Peter als hoher, von drei Wänden begrenzter, komplett weißer Raum gestaltet, Wände wie Boden und Decke mit einer leicht spiegelnden Folie überzogen. In den Wänden überhohe Türöffnungen, dahinter steile Treppen, in der Decke ein kreisrunder Lichtschacht.

Wohl um Brecht-Kenntnisse zu dokumentieren, führte der Regisseur einen Zwerg in die Handlung ein. Dieser darf jeweils am Anfang der acht Bilder mit einem Schild über die Bühne laufen, auf dem geschrieben steht, in welcher Szene wir uns gerade befinden. Um diesen vermeintlichen Verfremdungseffekt noch weiter zu treiben, werden in Folge nicht die in der Musik eingefangenen Emotionen der Figuren inszeniert, sondern erstarrte Posen in langsamen Bewegungen vorgeführt. Das unterstreicht nun aber nicht, wie etwa bei Konwitschny, die Wirkungskraft der Musik, sondern es geschieht in offensichtlicher Beliebigkeit: eine einzige Zumutung.

Und: Alles was Regisseur Knabe nicht in den Kram passt, wird weginszeniert, weshalb der Chor auch kaum auf, sondern mehr hinter der Bühne zu erleben ist. Zum Stück und seinen Emotionen erfährt man den ganzen Abend hindurch nichts. Wer Verdis Troubadour gelungener erleben will, sollte das Hamburger Haus meiden und nach Hannover fahren. Die dortige, musikalisch vorzügliche Aufführung ist in allen Belangen um Klassen besser.

weitere Vorstellungen: heute + 29.3., 1., 6., 8., 11. + 16.4., jeweils 19.30 Uhr sowie 13.4., 17 Uhr, Hamburgische Staatsoper