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„Bremen hat seine Chance vertan“

Außerhalb der engen Landesgrenzen glauben nur wenige Fachleute an die Sanierungserfolge in Bremen. Ein Interview mit Gisela Färber. Sie ist Finanzwissenschaftlerin an der Deutschen Hochschule für Verwaltungswissenschaft in Speyer

taz: Seit bald zehn Jahren fließen Sanierungsmilliarden an das Saarland und an Bremen. 2005 ist Schluss. Gibt es eine unabhängige wissenschaftliche Begutachtung der Verwendung und der Effekte dieser Hilfen?

Gisela Färber: Ich kenne keine.

In Bremen wurden die Effekte nur intern evaluiert. Das Ergebnis: Wir haben uns toll angestrengt. Dass wir das Ziel nicht erreichen, sind andere schuld –zum Beispiel die Steuerpolitik und die Konjunktur.

So kann man es auch versuchen.

Das Saarland hat aus Bremer Sicht den Fehler gemacht, viel zu wenig in die Stärkung der Wirtschaftskraft zu investieren.

Das ist doch Unfug. Bremen hat es für meine Begriffe falsch gemacht. Denn im Gegensatz zu Bremen ist das Saarland in Kürze als saniert zu betrachten. Das Saarland hat von vornherein die gesamten Tilgungsbeihilfen zur Tilgung verwendet und erst zu einem späteren Zeitpunkt einen kleinen Betrag davon, einen Teil seiner Art Zinsersparnis, in Investitionen umgesetzt.

Für Bremen wird auch von Zinsersparnissen geredet, die waren aber von Anfang an nur „virtuell“, da weder Schulden noch Zinszahlungen gesunken sind. Sind im Saarland nur echte Zinsersparnisse für Investitionen verwendet worden?

Ja, in der Tat. Die „Mechanik“ einer Haushaltsnotlage besteht schließlich darin, dass jedes Jahr allein für die Bedienung eines exponentiell wachsenden Zinsendienstes mehr neue Schulden aufgenommen werden müssen. Tilgungsbeihilfen sollen diesen Teufelskreis brechen, damit wieder eine normale unabhängige Haushaltswirtschaft möglich wird. Wenn ein Teil der Hilfen für anderes ausgegeben wird, geht die Wirkung verloren. Außerdem lag das Saarland bei den Pro-Kopf-Ausgaben immer schon in vielen Bereichen im Ländervergleich ganz unten. Außer bei den Zinslasten. Die Zinsen sind ja die Schleifspur der Verschuldung. Dagegen hatte Bremen immer üppige Ausstattungs-Standards. In den 80er Jahren lag Bremen direkt hinter Berlin und in vielen Bereichen ganz an der Spitze. Etwa bei der Schüler-Lehrer-Relation.

Darauf war die Bremer SPD einmal stolz.

Ja, aber das war immer das Geld von anderen. Das kann sich das Haushaltsnotlageland Bremen nicht mehr leisten. Es muss sofort und konsequent getilgt werden. Die übrigen Ausgaben müssen als „Eigenbeitrag“ auf ein Niveau unter dem vergleichbarer finanzschwacher Länder zurückgeschnitten werden.

Die Bremer Argumentation ist, dass die Wirtschaftskraft gestärkt werden müsse, um zu höheren Steuereinnahmen zu kommen.

Das ist ein Irrtum. Wenn Bremen überproportional höhere Steuereinnahmen hat, werden die doch sofort vom Länderfinanzausgleich wieder abgezogen. Davon haben vor allem die Geber-Länder Vorteile. Mir ist übrigens nicht bekannt, dass Bremen mehr Steuerzuwächse gehabt hätte als andere Länder...

Die Ansprüche aus dem Länderfinanzausnehmen nehmen auch nicht ab.

Aus zusätzlicher Wirtschaftskraft werden nicht so einfach zusätzliche Steuereinnahmen. Typischerweise investiert ein Unternehmen erst einmal, und auf Investitionen zahlt es keine Steuern. Das kommt vielleicht zehn Jahre später.

Dass die Steuereinnahmen nicht steigen, liegt an der Steuerreform und an der schlechten Konjunktur, wird in Bremen gesagt.

Das geht allen anderen Ländern auch so. Insoweit hat Bremen die Chance vertan, die Sanierung mit den Hilfen wirklich herbeizuführen. Das Saarland hat – bisher liegen die Haushaltsabschlüsse für Land und Gemeinden bis 2001 vor – bei der Zinssteuerquote fast Schleswig-Holstein erreicht. Das war das nächste finanzschwache Land, das zu Beginn der Sanierungsphase als Maßstab galt. Bremen stand dagegen bei der Zinssteuerquote so schlecht da wie 1992. Es wird trotz der Hilfen ein etwa gleich hoher Anteil der Einnahmen für Zinsen ausgegeben, mehr als in allen anderen Ländern.

Man könnte hoffen, dass in zehn Jahren wenigstens die Bremer Steuerkraft ansteigt.

Die Geber-Länder wird es freuen, wenn das dann so ist. Bis dahin muss Bremen jedes Jahr mehr Schulden aufnehmen.

Der Bremer Finanzsenator setzt darauf, dass auf Grundlage des Kanzlerbriefes nach dem Ende der Sanierungszahlungen Jahr für Jahr Hunderte von Millionen fließen.

Was für ein schöner Brief vom Bundeskanzler!

Nur im Austausch gegen diesen Brief hat das Land Bremen der Steuerreform zugestimmt.

Ich weiß nicht, ob der Kanzler so etwas einseitig versprechen kann. Das würde ja Rechtsfolgen haben, die Herr Eichel und die anderen Länder gar nicht einlösen können.

Was passiert dann 2005?

Wenn man überlegt, dass Milliarden gezahlt worden sind, ohne dass die Sanierung in Bremen eingetreten ist – was meinen Sie, was da für ein Rechtfertigungsdruck aufkommt! Auf kommunaler Ebene würde der Staatskommissar kommen.

Den gibt es für selbstständige Bundesländer nicht.

Verfassungsrechtler haben mir gesagt: Wir haben keine konkrete Rechtsfolge für diesen Fall. Im Zweifel muss das Bundesverfassungsgericht hier ein neues Kapitel schreiben. Fragen: kawe

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