Der lange Marsch nach Spandau

Flyer, AKKs und Schwänzlisten – der Schülerprotest in Berlin ist perfekt organisiert. Dem überwältigenden Erfolg vom Tag X sollen nun weitere Antikriegsaktionen folgen. Von Workshops bis zu Werktätigen wird an alles gedacht

Seit Donnerstag ist alles anders. Nicht nur, weil der Krieg begonnen hat, sondern auch weil sich der langfristige Einsatz gelohnt hat. „Der Streik hat auf jeden Fall was gebracht, da macht die viele Arbeit auch Spaß“, sagt Toni. Das Wort Streik fällt oft, wenn man mit den Machern der Schülerdemonstration spricht. Es hört sich nach etwas Großem, nach etwas Ernstgemeintem an.

Toni geht in die 11. Klasse und hat zusammen mit Cynthia und Caro die Antikriegsaktionen am Heinrich-Hertz-Gymnasium in Friedrichshain organisiert. Mit Flyern haben die Freundinnen ihre Mitschüler zum Streik aufgerufen. 50.000 Schüler sind in Berlin dem Aufruf der Gruppe „SchülerInnen gegen den Krieg“ gefolgt. Weit mehr als erwartet.

Seitdem steht das Telefon in dem kleinen Büro der Organisatoren nicht mehr still. „Das war überwältigend“, sagt auch die 18-jährige Juliane Arndt. Schon seit 2001 engagiert sie sich gegen Krieg. „Damals hat sich aber kaum einer dafür interessiert“, sagt sie.

Mittlerweile gebe es bereits an über zehn Schulen ein AKK. Was das ist? „Ein Antikriegskomitee.“ Auch an Julianes Schule, dem Herdergymnasium in Lichtenberg, hat eine 20-köpfige Gruppe die Aktion perfekt koordiniert. Schon im Vorfeld wurden Formulare verteilt, auf denen die Eltern ihre Zustimmung erteilen konnten, 650 von insgesamt 900 SchülerInnen versammelten sich am Tag X auf dem Schulhof, wurden in Gruppen aufgeteilt und machten sich geschlossen auf zum Alex. Sogar die Namen wurden erfasst, um zu kontrollieren, ob jemand die Gelegenheit zum Schwänzen genutzt hat. „Nur zwei waren nicht da“, sagt Juliane.

Stolz und Begeisterung klingen aus den Stimmen der jungen MacherInnen. Endlich ein sinnvolles Thema. „Wir von unserer Gruppe interessieren uns schon lange für Politik“, sagt Juliane „Aber viele sind erst seit dem Krieg so richtig dabei. Sogar mein Cousin guckt jetzt die Nachrichten, und der ist in der zweiten Klasse.“

In vielen Schulen wurden eine „Irak-Wall“ und Kriegs-Infowände eingerichtet. Nicht nur eine einmalige Aktion soll es sein, nein, viel mehr: „Wir wollen Alternativen zur Gewalt aufzeigen, langfristiges Engagement gegen den Krieg stärken“, sagt Juliane.

Die Reaktion der Lehrer ist unterschiedlich. Lutz Heinicke, Julianes Geschichtslehrer, findet „das ganz toll.“ Er sieht solche Aktionen als Zeichen von „Eigeninitiative und politischem Engagement, was wir doch immer von unseren Schülern fordern.“ Toni erzählt: „Wir haben Glück mit den Lehrern. Obwohl wir unerlaubte Fehlstunden eingetragen bekamen, haben die Lehrer gesagt, dass sie es gut finden, wenn wir zur Demo gehen.“

Margarete Schilde unterrichtet an der Rudolf-Diesel-Oberschule, der einzigen Hauptschule in Wilmersdorf, 14- bis 15-Jährige in Deutsch und Geschichte. Sie ist erstaunt, „wie sehr sich auch Schüler, für die Politik bisher ein Unwort war, auf einmal dafür interessieren“. – „Was ist ein Diktator?“, „was sind Sanktionen?“, „was ist die UNO?“ Für Schilde sind solche Fragen an sie ein Glücksfall, den „sich kein Lehrer entgehen lassen sollte“.

Für die jugendlichen Organisatoren ist der große Streik noch lange nicht zu Ende. Anfang April ist eine Jugendkonferenz geplant, so was mit Diskussionsforen mit Politikern, Workshops und Konzert oder einer Party im Anschluss. „Hauptsache, die Leute diskutieren mit“, hofft Toni auf einen weiteren Erfolg. Am kommenden Donnerstag wollen über 50 Schüler um 6 Uhr morgens nach Spandau vor das Tor der Siemens-Niederlassung pilgern, um Flugblätter zu verteilen. „Wir wollen auch den Berufstätigen Mut machen“, sagt die 18-jährige Nelli Tünges, „sich an unserem Streik zu beteiligen.“ IKÖ, LJ