One-Man-Show bei der Rektorenwahl in Freiburg

Trotz 14 Bewerbern steht der neue Rektor der Albert-Ludwigs-Uni bereits fest. Eine „Einser-Liste“ sichert den Informationsvorsprung des Amtsinhabers

RAVENSBURG taz ■ Heute ist an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg das Amt des Rektors zu vergeben. Die Wahl dürfte nicht allzu spannend werden, denn der Amtsinhaber steht schon fest. Der Alte wird der Neue: Der Jurist Wolfgang Jäger wird die Hochschule weitere zwei Jahre in eine ruhige Zukunft führen. In Freiburg wird Kontinuität in Zeiten universitärer Veränderungen groß geschrieben. Dazu gehört, dass bei der „Wahl“ keine Verwerfungen durch Konkurrenten entstehen. Ein Verfahren, das in die Kritik geraten ist.

Alle 13 Mitbewerber Jägers blieben beim Postengeschiebe früh auf der Strecke. 12 von ihnen, die externen Bewerber, wurden erst gar nicht zum Interview geladen. Auch die Dekanin der Philologischen Fakultät, Elisabeth Cheauré, weiß seit Wochen, dass sie keine Chance auf den Freiburger Rektorensessel hat. Erfahren hat sie es nicht etwa von den Zuständigen, sondern aus der Badischen Zeitung.

Cheauré war die einzige der 14 Kandidaten, die zum Gespräch gebeten wurde. Eine „Anhörung“ der besonderen Art. An einem Freitag im Februar erhielt sie einen Anruf vom Rektorat, sie möge sich für ein eventuelles Gespräch am Montag bereithalten. „Das war dann allerdings kein kurzes Gespräch“, so Cheauré, „sondern ich sollte ein Konzept für die nächsten sechs Jahre meiner Amtszeit als Rektorin vorstellen.“ Man hörte sie eine Stunde und zehn Minuten. Vorherige Akteneinsicht – Fehlanzeige.

Nach dem Gespräch war ihre Bewerbung auch schon zu Ende. Der Leiter der Rektorenfindungskommission Norbert Nothhelfer, der den Universitätsrat leitet, teilte ihr via Presse mit, es gebe „ein Erfahrungsgefälle“ gegenüber dem amtierenden Rektor. Die Juso-Hochschulgruppe fragte sich daraufhin, ob die Personalstrategie der Uni nun „befremdlich“ oder „schlicht stillos“ sei. Anstatt dem Senat der Universität eine Liste mit drei Kandidaten zu präsentieren, habe Nothhelfer, im bürgerlichen Beruf Chef der Freiburger Rothaus-Brauerei, den Auswahlausschuss bedrängt, eine „Ein-Mann-Liste“ zu erstellen. Das sei, so mutmaßen die Jusos, auf Druck des Rektors geschehen, der habe die One-Man-Show zur Bedingung für seine Kandidatur gemacht.

Für Jägers Konkurrentin Cheauré geriet die Bewerbung zur Farce. „Frau Cheauré hat eine gute Vorstellung abgeliefert in der Sache“, beeilt sich der Chef des Universitätsrats zu betonen, der in Baden-Württemberg an der Wahl des Rektors zusammen mit Ministerium und Senat beteiligt ist. Aber Jäger habe nun mal einen „Informationsvorsprung“. Ohne Frage kennt der die Albert-Ludwigs-Interna – schießlich sitzt er seit 1995 im Chefsessel. Wie der Altgediente, der die akademische Leiter vom Dekanat der Philosophischen Fakultät (1975/76) über den Vorsitz des Großen Senats (1982–86) bis hin zum Prorektorat 1987–89 erklomm, so soll sich auch sein Nachfolger aus dem Kreise der Prorektoren rekrutieren. Kein Wunder also, dass in den Uni-Fluren über die „Universität als Erbmonarchie“ gespottet wird.

Uni als Erbmonarchie

Eine Erbfolge, in der Professorin Cheauré auch in zwei Jahren nicht vorgesehen sein wird. Die amtierenden Prorektoren sind – wer hätt's gedacht – ausschließlich vom starken Geschlecht. Und das, obwohl man angeblich gezielt (auch) nach weiblicher Führung sucht: „In der Annonce der Zeit wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass man sich über Bewerberinnen freue“, sagt Cheauré, die einzige Bewerberin der Universität Freiburg war. Mittlerweile findet sie die Anzeige grotesk.

Ist die Freiburger Rektorenfindung nun „männerbündische Ideologie“, wie ein erboster Beobachter kommentiert, oder ein wasserdichtes Prozedere? Der Rechtsberater der Uni, Thomas Würtenberger, Professor für Staats- und Verwaltungsrecht, hebt den Daumen. Laut Gesetz habe der Landtag dem Wahlausschuss aufgetragen, die Qualifikation der Bewerber zu überprüfen und eine Auswahl zu treffen. Daher sei das Freiburger Verfahren, nur einen Bewerber zuzulassen, nicht etwa „undemokratisch“, sondern nur die Ausnahme von der Regel. Man wolle mit einem Einervorschlag die „Kontinuität einer höchst erfolgreichen Universitätsleitung“ garantieren, so der Rechtsberater zur örtlichen Presse. Inzwischen erteilt Würtenberger keine Auskünfte mehr.

„Die Stelle muss ausgeschrieben werden – rein rechtlich“, begründet der Chef des Uni-Rates Nothhelfer gegenüber der taz, warum man den Rektor überhaupt noch wählen lässt. Und wie sehr fürchtet der Amtsinhaber die Konkurrenz, deren Auftreten gar nicht zugelassen wird? Jäger schweigt dazu, er weiß, nur durch Reden könnte er seine Wahl noch gefährden.

Die Wahl in die dritte Amtszeit Wolfgang Jägers wird heute gewiss reibungslos über die Bühne gehen. Einen Schönheitsfehler hat sie dennoch: Sie ist eine zu viel. Die Grundordnung der Universität besagt nämlich, dass der Rektor vom Senat der Uni gewählt werde und dass „Wiederwahl nur einmal zulässig ist“. Vor ungefähr dreieinhalb Jahren, so berichtet Manfred Löwisch, der stellvertretende Vorsitzende des Universitätsrates, habe man eine „Übergangsvorschrift“ erlassen, die besagte, dass die Regelung der einmaligen Wiederwahl nicht gelte. Rechtsberater Würtenberger weiß von der Übergangsregelung nichts.

Für die Uni gilt eben Kontinuität – bei der Person wie beim Verfahren. Bereits vor acht Jahren, als Jäger erstmals antrat, war er der einzige Anwärter auf weiter Flur. Eine Vorgehensweise, die sich offenbar bewährt hat.

Elisabeth Cheauré weiß nicht, ob sie noch einmal kandidieren wird. „Das lasse ich offen.“ Das Vertrauen jedenfalls in Passagen wie diese aus der Grundordnung der Universität hat sie verloren: „Für alle Gremien, Kommissionen und Ämter ist eine angemessene Vertretung von Frauen anzustreben.“ LIA PETRIDIS