Das Klima wird rauer

Beim Emissionshandel versuchen Industrie und Wirtschaftsministerium den Eklat zu provozieren. Bislang ohne Erfolg

AUS BERLIN MATTHIAS URBACH

Es war die kürzeste Sitzung der Verhandlungsrunde Emissionshandel: Kaum hatte der grüne Umweltstaatssekretär Rainer Baake die Eckpunkte des Nationalen Allokationsplans (NAP) vorgelegt, verließ sein Kollege vom Wirtschaftsministerium, Staatssekretär Georg-Wilhelm Adamowitsch, empört das Besprechungszimmer im Umweltministerium. Dieser Entwurf sei ohne Absprache mit seinem Minister vorgelegt worden. Die Industrie beriet noch eine gute halbe Stunde und bat dann um Vertagung wegen „Beratungsbedarf“.

Was die Financial Times Deutschland gestern als „Eklat“ bezeichnete, wollte das Wirtschaftsministerium nicht so hoch hängen. „Von einen Streit würde ich nicht reden“, wiegelte ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums gestern gegenüber der taz ab. Ressortabstimmungen wolle man nicht kommentieren. Auch in der Fraktionen wollte gestern niemand offiziell kommentieren.

Und doch sieht es so aus, als hätte Adamowitsch sich keinen Gefallen getan. Mit Kopfschütteln reagierten Politiker der Regierungsfraktionen auf seinen Auszug. „Der wusste, dass die Industrie das Trittin-Papier ablehnen würde, und wollte sich an die Spitze der Bewegung stellen“, urteilt ein SPD-Politiker gegenüber der taz. Adamowitschs Vorwürfe gegen Minister Jürgen Trittin seien „Quatsch“.

So neu sei der Allokationsplan gar nicht gewesen, rechtfertigte sich gestern auch Trittin gegenüber der taz. Die meisten Bestandteile des Plans seien bereits in den Vorwochen präsentiert worden (siehe Interview). Die restlichen Daten, die Ergebnisse komplizierter Rechnungen waren, hätten erst am Nachmittag zur Verfügung gestanden. Dazu gehört vor allem eine Zahl, die es allerdings in sich hat: 1,5 Prozent. Um diesen Faktor muss die Industrie jährlich ihre Emissionen mindern – geht es nach Jürgen Trittin.

Eines können Trittin und Baake sich aber vorwerfen lassen: dass sie nicht am Donnerstagmittag bereits Adamowitsch die Vorlage des Plans ankündigten. Da saßen Trittin, Adamowitsch und die Fraktionsexperten bereits zum Thema zusammen.

Interessant sind die Reaktionen der Industrie: Sowohl Stromkonzern RWE als auch die Wirtschaftsvereinigung Metalle kritisieren, dass „das Bundesumweltministerium ohne vorherige Abstimmung innerhalb der Bundesregierung“ den Allokationsplan vorgelegt habe. Während man verstehen kann, dass Adamowitsch gern vorher wissen möchte, was sein Kollege am Abend der Industrie vorlegt, geht es wohl die Wirtschaft wenig an, wie abgestimmt wird. Zumal das Umweltministerium seinen Job macht: Es hat die Aufgabe, Eckpunkte vorzulegen, über die dann im Kabinett abgestimmt wird.

Die Empörung der Industrie leitet sich daraus ab, dass sie es anders gewöhnt ist: Normalerweise reicht das Wirtschaftsministerium alle Entwürfe aus Trittins Haus an die Industrie weiter. Diese Indiskretion kann nicht funktionieren, wenn auch Clements Ministerium nicht vorab informiert wurde.

Der Industrie aber kommt der Auszug von Adamowitsch gelegen. So kann sie ablenken, dass sie selbst zerstritten ist. An jenem Abend im Umweltministerium wollten einige Industrievertreter die Gespräche bereits für gescheitert erklären – konnten aber nicht einmal darüber einen Konsens herstellen.

Nicht einmal die Stromkonzerne ziehen an einem Strang: So bekämpfen RWE und Vattenfall, die über große Kohlekraftwerke verfügen, jede Bevorzugung des klimafreundlichen Erdgases. Das kann nicht im Interesse von Eon sein, das kürzlich Ruhrgas erwarb und zudem möglichst viele Sonderzuteilungen für den Atomausstieg haben möchte. Unter diesem Vielklang leidet auch das Wirtschaftsministerium, das es gewohnt ist, seine Positionen direkt mit der Industrie abzustimmen. So hat Clement ebenfalls keine konkrete Positionen bezogen.

Durch den Auszug von Adamowitsch scheiterte nun das als letzter Termin angesetzte Treffen. Nun muss der Nottermin am 12. Februar eine Einigung bringen. Damit setzen sich alle Beteiligten einem Zeitdruck aus, denn die Regierungsfraktionen verlangen eine zwischen den Ressorts abgestimmte Vorlage bis Anfang März. Bis Ende März muss der NAP in Brüssel angemeldet sein.

Für den Termin am 12. Februar gilt nun auch für Adamowitsch das alte Wort von Herbert Wehner: „Wer rausgeht, muss auch wieder reinkommen.“