amerika im krieg (5)
: Ein Tagebuch unseres USA-Korrespondenten Michael Streck

Beim Friseur und bei Frau Künast

Das war kein guter Tag für die amerikanische Volksseele. Tote und gefangene Soldaten in Irak, die Aussicht auf einen Krieg, der länger dauern könnte, als viele geglaubt haben, der stärkste Kursverfall an der Wall Street seit Oktober und eine Preiserhöhung für Taxifahrten in der US-Hauptstadt dank gestiegenem Benzinpreis. Was tun, wenn angesichts solcher Nachrichten Depression droht? Ich beschloss, zum Friseur zu gehen. Bunte Hollywood- und Lifestyle-Magazine lesen. Und abschalten.

Zudem muss der Mensch auch in Kriegszeiten gelegentlich Ordnung in den Wildwuchs auf seinem Schopfe bringen. So ein Friseurbesuch in Washington lohnt sich auch deswegen immer wieder, weil man hier wie durch ein Brennglas in die US-Gesellschaft blickt. Denn die Haarschneidekunst ist ganz und gar in den Händen von Einwanderern aus Mexiko, der Dominikanischen Republik und Äthiopien. Eine gewisse Nervosität lässt sich nicht leugnen, beugt sich ein altes Mütterchen aus Addis Abeba mit noch älterem Werkzeug über das Haupt. Sieht sie noch gut und zittern ihre Hände? Bald ist jedoch die Sorge um Haar und Kopfhaut vergessen. Sie erzählt, wie sie vor dreißig Jahren aus dem Bürgerkriegsland floh, später zwei eigene und neun adoptierte Flüchtlingskinder großzog und drei Friseursalons eröffnete. Die Frau verabscheut den Irakkrieg, überhaupt alle Kriege. Wen wundert es.

Frisch frisiert ging es dann zu frischem Essen. Die Heinrich-Böll-Stiftung hatte ins „Nora“ geladen, das einzige Bio-Restaurant Washingtons. Es war beruhigend zu wissen, dass auch in diesen Zeiten die Versorgung mit Arugula-Salat und Tomaten aus kontrolliert biologischem Anbau gesichert ist. Spezieller Gast des Abends: Renate Künast. Die Ministerin ist das erste deutsche Regierungsmitglied, das seit Kriegsbeginn in die US-Hauptstadt reist, in die Höhle des Löwen, um mit ihrem US-Kollegen über Landwirtschaft, Umweltschutz und Freihandel zu sprechen. Bei Rindsfilet und Tiramisu sollte sie nun die Verhandlungspositionen der Bundesregierung vorstellen. Eine willkommene geistige Abwechslung, dachte ich. Dazu so fabelhafter Wein. Doch so redlich sie sich mühte, mein Interesse für Genmais wurde nicht geweckt. Vielleicht weil doch der Krieg im Nacken saß oder kurze und prägnante Reden noch nie die Stärke deutscher Politiker waren. Wenigstens in diesem Punkt kann man auch heute noch von Amerika lernen.

Mit welcher Einstellung sie hierher gekommen ist in diesen angespannten Zeiten, wollte jemand wissen. „Mit Tapferkeit vor dem Freund.“