Sand im Getriebe

Die schwierigsten Kämpfe scheinen den auf Bagdad vorrückenden Truppen erst noch bevorzustehen

von ERIC CHAUVISTRÉ

Drei politische Vorgaben bestimmten die militärische Planung des US-Angriffes auf den Irak. Es sollte schnell gehen. Es sollte deutlich gemacht werden, dass das Regime Saddam Husseins und nicht die Bevölkerung das Ziel des Angriffs ist. Und es sollte möglichst wenige Tote unter den US-amerikanischen und britischen Soldaten geben. Werden diese Vorgaben in Frage gestellt, schwächt das zwar nicht die militärische Macht der im Irak vorrückenden Streitkräfte, aber es bringt ihre politische Führung in Washington und auch in London in Bedrängnis.

„Es gibt überhaupt keinen Grund, über die Dauer des Krieges zu spekulieren“, sagte Großbritanniens Premier Tony Blair gestern vor Journalisten in London. Aber viele Militärbeobachter in Washington und London tun derzeit kaum etwas anderes. Den schnellen Vormarsch in Richtung Bagdad, der die militärischen Gegner das Fürchten lehren und die internationale Kritik eindämmen sollte, sehen viele Experten inzwischen als riskante Strategie. Denn allein die auf etwa 20.000 Soldaten geschätzten Truppen, die sich am Rande von Bagdad versammeln, verbrauchen täglich wohl mehr als zwei Millionen Liter Diesel. Dazu muss Nachschub aus Kuwait mit hunderten Lastwagen herangeschafft werden. Südlich der Stadt Kerbela sollen die US-Streitkräfte dazu bereits eine größere Versorgungsbasis aufgebaut haben.

Nicht nur Diesel, auch Trinkwasser wird in riesigen Mengen gebraucht. Werden für jeden Soldaten nur drei Liter angesetzt, liegt der Bedarf schnell bei mehr als hunderttausend Litern. Und je weiter die Truppen vorrücken, desto gefährdeter sind die Nachschubeinheiten durch die in den letzten Tagen beobachteten irakischen Guerilla-Aktionen. Die politische Vorgabe eines schnellen Vormarsches, der nicht nur die Heimatfront beeindrucken, sondern auch die irakischen Soldaten in Massen zur Aufgabe bewegen sollte, scheint sich unter diesen Bedingungen nicht uneingeschränkt erfüllen zu können. Eine Verzögerung würde wohl auch Unruhe in die Riege der Pentagon-Planer bringen. Denn schon lange vor Beginn des Angriffs gab es monatelang Auseinandersetzungen im Pentagon über die angemessene Strategie. Während US-Verteidigungsminister Rumsfeld und andere in der politischen Führung wie in Afghanistan mit kleinen Spezialeinheiten vorgehen wollten, favorisierten die Militärs um Tommy Franks die Variante eines massiven Aufmarsches wie im Golfkrieg 1991. Mit der gewählten Gleichzeitigkeit von Luftangriffen und dem schnellen Vorrücken von Bodentruppen in den Irak sollte den irakischen Truppen schon in den ersten Tagen die gewaltige Übermacht der US-Truppen demonstriert werden. Der dadurch verursachte baldige Zerfall des Regimes, so die Erwartung der Pentagon-Führung um Donald Rumsfeld und Paul Wolfowitz, würde Angriffe auf die Städte überflüssig machen.

Doch auch die zweite politische Vorgabe, die Präsentation des Krieges als einen Angriff, der nur gegen das Regime gerichtet ist, wird zunehmend brüchig. Durch die Zerstörung der Infrastruktur und das Ausbleiben der internationalen Hilfstransporte dürfte die Lage in den Städten im Süden des Irak, auch wegen der teilweise mangelnden Trinkwasserversogung, bei längerem irakischen Widerstand katastrophal werden (siehe unten).

Erst am Montag hatte der Kommandierende der US-Truppen am Golf, Tommy Franks, behauptet, seine Truppen würden Ortschaften absichtlich umgehen. Da der unerwartet starke Widerstand in Basra aber offenbar nicht nachlassen will, scheinen sich die US-Streitkräfte und ihre Verbündeten nun doch auf einen Angriff auf die südliche Großstadt einzustellen – auch wenn sie damit in den gefürchteten Häuserkampf gerieten. Ändern die Pentagon-Planer ihre Strategie und lassen sich auf solch einen Häuserkampf ein, wäre auch die dritte politische Vorgabe – möglichst wenige Tote unter den US-Soldaten – kaum noch erfüllbar. „Die schwersten Kämpfe im Irak stehen erst noch bevor“, warnte der oberte US-Militär, Generalstabschef Richard Myers, gestern vorsorglich im amerikanischen Frühstücksfernsehen.

Sollte nicht doch noch der erhoffte schnelle Zerfall des Regimes eintreten, wären die Kämpfe um Basra wohl nur ein Vorlauf für ein gefürchtetes Gemetzel in Bagdad. Zunächst stehen aber noch Einheiten der Republikanischen Garden zwischen den US-Streitkräften und der Hauptstadt. Die irakischen Einheiten waren gestern das Ziel heftiger Bombardements. US-Medien stilisierten in den letzten Tagen die Angriffe auf die durch starke Luftabwehreinheiten geschützten irakischen Einheiten zur Entscheidung darüber hoch, ob der Krieg nur wenige Tage oder doch einige Wochen dauern werde.

Aufgehalten werden könnte das US-Militär dabei auch von ungünstigem Wetter. Gestern wurde über schwere Sandstürme in und rund um Bagdad berichtet. Solche Verhältnisse behindern zwar die satellitengesteurerten Bomben der US-Streitkräfte in keiner Weise. Auch sonst sind die meisten Waffensysteme für einen Kampf in Sandstürmen ausgelegt. Doch die Apache-Hubschrauber, mit der die Panzerverbände der Republikanischen Garde vor Bagdad beschossen werden sollen, könnten durch die Einschränkung der Sicht behindert werden. Der Vormarsch auf Bagdad würde noch weiter verzögert.