Metropolis im Mangaland

In Rintaros Trickfilm „Robotic Angel“ führen komplexe Charaktere den Kampf zwischen Oben und Unten in eindrucksvoll inszenierten Stadtlandschaften

Im Kino wurde der Turm von Babel immer wieder gerne gebaut, nur um dann möglicht spektakulär wieder zerstört zu werden. Fritz Lang schuf 1926 in dem Stummfilm „Metropolis“ solch eine durch die Hybris der Menschen verdammte schöne neue Welt. Seine Vision einer mechanisierten Stadt der Zukunft wirkt bis heute nach in solchen Filmen wie „Bladerunner“, „Das fünfte Element“ und „Dark City“.

Besonders die Japaner lieben es, wenn im Kino Monster wie „Godzilla“ ihr Babylon mit Namen Tokyo zertrampeln. Schon 1949 schuf der japanische Comiczeichner Osamu Tezuka sein dreibändiges Manga „Metropolis“, in dem er von der Geschichte, besonders aber vom Design des Stummfilms ausging und beides wild ausufernd weitersponn.

In dem Zeichentrickfilm „Robotic Angel“ (der in Japan und den USA übrigens konsequent „Metropolis“ heißt) sieht man nun eine faszinierende Mischung aus Mangakonventionen und dem alten Filmmythos. Die Grundmotive von Langs Klassiker sind geschickt variiert: Die Reichen der Stadt leben oben in riesigen Wolkenkratzern, die Beherrschten in verschiedenen unterirdischen Ebenen. Es kommt zum Aufstand, bei dem die Armen die Paläste ihrer Unterdrücker stürmen. Duke Red, der heimliche Herrscher über die Stadt, will mit einem von dem Wissenschaftler Laughton (!) geschaffenen perfekten Androiden die absolute Macht, doch dieser künstliche Mensch ist im Gegensatz zu Langs so erschreckend eisiger Brigitte Helm die niedliche Tima, die als typische Mangaheldin mit riesigen unschuldigen Babyaugen ausgestattet ist.

Zweiter Held ist der junge Kenichi, mit dem Tima viele Abenteuer bestehen muss, wodurch sie menschlicher wird als ihre Schöpfer es wollten: Statt zum Instrument der Unterdrückung wird sie zum „Robotic Angel“.

In Japan sind Mangas alles andere als Kinderkram, und so wird die Geschichte auf einem erstaunlich hohen Niveau erzählt (Langs Drehbuch ist eindeutig kindischer). Die Charaktere sind erstaunlich komplex, auch die Nebenfiguren sind durchweg interessant, entsprechen dabei zwar den Klischees (der Detektiv, der Revolutionär, der verrückte Wissenschaftler), sind aber jeweils individuell und sehr detailiert gezeichnet.

Letztlich sind es die Bilder, die „Robotic Angel“ zu solch einem überwältigenden Kinoerlebnis werden lassen. Die Stadtlandschaften und Actionsequenzen wirken wie in den teuersten und besten Hollywoodproduktionen, mit überraschenden Perspektiven, einem ganz eigenen Witz und viel Liebe zum Detail.

Im Grunde ist es ja paradox, wenn man wie hier eine Zukunftsvision aus der Vergangenheit wiederbelebt, aber auch dafür haben Regisseur Rintaro und sein Team eine ästhetisch überzeugende Lösung gefunden. Zum einen sieht die Technologie nie wirklich modern aus: Die Androiden funktionieren mit Röhren, und in der Luft fliegen Zeppeline. Noch verblüffender ist der Soundtrack, denn statt zeitgenössischer Musik (man erinnere sich nur an Giorgio Moroders grässliche Discoversion von Langs Film) erklingt schöner altmodischer Jazz.

Zum grossen Finale, bei dem die Türme der Stadt zusammenstürzen, singt dann Ray Charles „I Can‘t Stop Loving You“. Dieser Effekt ist ähnlich eindrucksvoll wie das Liebeslied, das bei der atomaren Apokalypse zum Ende von Kubricks „Dr. Seltsam“ zu hören ist. Wilfried Hippen

„Robotic Angel“ läuft in der Originalfassung mit englischen Untertiteln von heute bis Dienstag außer Sonntag um 20.30 Uhr im Kino 46. Mit ihm beginnt das Kino 46 im April eine Reihe mit neuen japanischen Filmen, ergänzt durch den Vortrag „Von Mangas, Yakuzas und Samurai“ am 9.4. um 20.30 Uhr