Männer in Strumpfhosen

Na, dit is schwula Humor: Mit ihrer Kino-Komödie „Mutti – der Film“ erforschen die Teufelsberg Produktionen wieder einmal das weite Feld von Trash und Travestie

Im Grunde geht es darum, dass die kleine Biggy (Biggy van Blond) sich nach der Schule eine Wundertüte kauft, in der ein Ohr steckt, mit dem man auf wundersame Weise Gedanken hören kann, sobald man es in die Richtung derer hält, deren Gedanken man zu hören gedenkt. Doch kaum hat Biggy die Qualitäten ihres neuen Spielzeugs endeckt, sind schon eine geheimnisvolle Frau in Schwarz sowie ein noch geheimnisvollerer dicker Mann hinter Biggy und ihrem Ohr her.

Dass der dicke Mann einen Ohrenverband trägt, wird dem aufmerksamen Zuschauer dabei nicht entgehen und könnte für das Drehbuch sprechen, das möglicherweise durchdacht und clever strukturiert sein mag. Doch bevor sich dazu etwas sagen lässt, widmet sich die Geschichte zunächst Mutti (Ades Zabel), der allein erziehenden Mutter von Biggy, die ihre eigentlich fiebrige Tochter nur deshalb zur Schule geschickt hat, weil später der Klempner kommt. Nachbarin zu Mutti: „Leckt’s denn bei Ihnen?“ – Mutti zur Nachbarin: „Noch nicht!“ Doch da sich die Handlungsstränge in diesem Film durchaus überraschend verschränken, soll bald nicht der Klempner vor der Tür stehen, sondern der geheimnisvolle dicke Mann.

Später wird der dicke Mann die kleine Biggy entführen, woraufhin sich Mutti einen schönen Abend mit Frau Budweiser macht. Noch später macht Mutti Bekanntschaft mit einem Zeitungsausträger, der ihr bei der Suche nach Biggy hilft. Ganz zum Schluss löst sich das Ganze sogar irgendwie auf. Selbst wohlmeinende Zuschauer dürften aber zu diesem Zeitpunkt längst die Geduld verloren haben.

Die eigentliche Leistung des Films besteht darin, die durchaus üppige Handlung derart handlungsarm zu erzählen, dass sie kaum mehr auffällt. Zwar gibt es den für eine ordentliche Trash-Komödie notwendigen Schwachsinnsanteil, doch bekanntlich will auch der Schwachsinn verwaltet werden, um angemessen schwachsinnig zur Geltung zu kommen. Man kann sagen, dass der Film an dieser Herausforderung scheitert. Nicht nur, dass es dem gesamten Werk an einer gewisse Note Hysterie mangelt, es fehlen auch die Witze. Gute Witze gibt es eigentlich gar nicht, und sogar die schlechten Witze werden ohne Gespür fürs Timing beeindruckend schlecht erzählt. Der Fehlannahme, dass besonders schlechte Filme schon deshalb gute Trash-Filme sind, weil sie besonders schlechte Filme sind, wurde mit „Mutti“ ein weiteres Denkmal gesetzt. Das Gerücht, dass Männer in Frauenkleidern automatisch für Lacher sorgen, wurde erneut als Arbeitsgrundlage bemüht. Selbst als Peter Alexander sich 1964 für „Charleys Tante“ Strumpfhosen überzog, war das nur bedingt amüsant. Stumpfe Travestie hat seither nicht unbedingt an Komik gewonnen.

Es scheint, dass Ades Zabel und die Teufelsberger seit vielen Jahren mit jeder Bühnenproduktion und jedem Film versuchen, ihrem großen Vorbild John Waters und seinem denkwürdigen Frühwerk „Polyester“ nachzueifern. Dumm ist, dass sie ein ums andere Mal daran scheitern. Verblüffend ist, dass nicht einmal der Ansatz einer Qualitätssteigerung auszumachen ist. Ärgerlich ist, dass man es trotz der Mitwirkung durchaus prominenter Namen wie Male Diva, Ulrike Folkerts, Meret Becker, Désirée Nick und Georg Uecker nicht für notwendig erachtete, ein vernünftiges Drehbuch zu entwickeln. Noch ärgerlicher ist allerdings, dass die filmische Vollkatastrophe nun zielgruppengerecht als Ausdruck genuin schwulen Humors in die Kinos kommt. Mensch, was haben wir gelacht!

HARALD PETERS

„Mutti – Der Film“. Buch/Regie: Biggy van Blond, Jörn Hartmann, Klaus Pukart, Ades Zabel. Mit Ades Zabel, Biggy van Blond u. a., Deutschland 2003