Sozialismus gesetzeswidrig

Nachdem das Oberverwaltungsgericht die Mietobergrenzen gekippt hat, drohen Mieterhöhungen von bis zu 2,50 Euro pro Quadratmeter. Bausenator Strieder hofft auf Reform der bisherigen Praxis

VON UWE RADA

Für den Mieterverein ist es „das Ende der behutsamen Stadterneuerung“, für die Hauseigentümer eine „längst fällige Entscheidung“. Das am Freitag bekannt gewordene Urteil des Oberverwaltungsgerichts (OVG) zu den Mietobergrenzen in den Berliner Sanierungsgebieten hat erwartungsgemäß gegensätzliche Reaktionen hervorgerufen.

In seinem Urteil hatte der zweite Senat des Oberverwaltungsgerichts einer Hauseigentümerin aus dem Sanierungsgebiet „Samariterviertel“ in Friedrichshain Recht gegeben, die vor Gericht gezogen war, weil ihr die Altbausanierung vom Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg verweigert wurde. Der Grund: Die Eigentümerin hatte sich geweigert, die im Bezirk geltenden Mietobergrenzen zu akzeptieren.

Aber das OVG gab nicht nur der Klägerin Recht. Es betonte auch, dass die „Einführung pauschaler Mietobergrenzen“ zum Schutz der angestammten Bewohner vor Verdrängung sanierungsrechtlich nicht zulässig sei.

Damit steht eine Regelung vor dem Aus, mit der die Bezirke seit zehn Jahren gegen allzu deftige Mietsteigerungen nach Sanierungen mehr oder weniger erfolgreich vorgehen. Um „Rausmodernisierungen“ zu vermeiden, formulierten die Sanierungsämter eine Art bezirksinternen Mietspiegel, bei dessen Überschreitung durch den Eigentümer die sanierungsrechtliche Genehmigung versagt wurde. Vor allem Luxussanierungen sollten mit dieser Form des Bezirkssozialismus verhindert werden.

Ließen sich die Eigentümer anfangs noch zähneknirschend auf den Deal ein, zogen seit einigen Jahren immer mehr vor Gericht. Schließlich war ihnen mit dem faktischen Ende der öffentlich geförderten Altbausanierung jener Geldhahn zugedreht worden, der ihnen immer noch offen stand, wenn ihnen der Bezirk sein „Njet“ entgegenschleuderte.

Obwohl das nunmehrige „Njet“ des Oberverwaltungsgerichts von Mietervereinen und Bezirken schon lange befürchtet worden war, sind die Folgen möglicherweise noch schlimmer als erwartet. Mit seinem Urteil vom 31. Januar bestätigte das OVG nämlich nicht nur ein entsprechendes Urteil des Verwaltungsgerichts vom Juli 2002. Es ging auch über den damaligen Richterspruch hinaus. Nicht nur für leer stehende Wohnungen sei die Verhängung von Mietobergrenzen unzulässig, sondern auch für vermietete. Das bedeutet, dass künftig 11 Prozent der Modernisierungskosten auf die Mieter umgelegt werden können. Mehr noch: Mietervereinsgeschäftsführer Hartmann Vetter fürchtet gar, dass bei bereits durchgeführten Modernisierungen nachträglich eine höhere Miete verlangt werden kann. Das gelte aber nur, wenn die Mietobergrenzen nicht im Mietvertrag fixiert worden seien.

Bausenator Peter Strieder (SPD) indes warnte gestern vor Panikmache. „Wir müssen zunächst einmal abwarten, was in der schriftlichen Urteilsbegründung steht“, sagte seine Sprecherin Petra Reetz. Erst dann werde man wissen, ob das Urteil auch für die in Pankow und Neukölln geltende Praxis gilt, nur für einen Teil der Wohnungen Mietobergrenzen zu verhängen (siehe unten).

Die gleiche Hoffnung äußert auch der Mieterverein. Falls aber auch diese Regelung gekippt worden sei, drohten den Mietern Sanierungskosten von bis zu 2,50 Euro pro Quadratmeter und Monat.