Der Traumbräutigam der Fünfziger

Filmschauspieler O. W. Fischer („Peter Voss, der Millionendieb“) starb im Alter von 88 Jahren im Tessin

Er brachte, spätestens in dem 1953 gedrehten Film „Ein Herz spielt falsch“ einen anderen Ton in den deutschen Film der Wirtschaftswunderjahre: O. W. Fischer spielte einen Mann, dem stets eine gewisse Distanz, mehr noch: eine Form von habsburgerisch-ironischer, doch nicht unseriöser Distanz zu sich selbst eigen war. Ein Spross eines niederösterreichischen Hofrats mit Hang zu Höherem, wie er in der Ufa-Ästhetik der Nazizeit keinen prominenten Platz hat finden können, denn die Rolle des womöglich levantinisch inspirierten Verführers galt als verdächtig – und nicht ersehnt Lust am Locken und Spielen. Erst unter frühdemokratischen Verhältnissen gewann die Kraft eines O. W. Fischer an Qualität: Mit ihm galt Verführung ohne soldatische Aura als lustvoll, ja begehrenswert. Kein Wunder, dass Fischer, ein Mann feinster Manieren, die größten Erfolge an der Seite der Maria Schell errang – auch sie eine Seele voller unerfüllter Lüste, die nichts forderte und nichts von sich biss, sondern mit Körperlichem buhlte – und um die potenzielle Unerfülltheit eben dieser Sehnsucht zu wissen schien. O. W. Fischer – ein Schauspielerheld der Fünfzigerjahre. Keiner hat so viele Trophäen gesammelt, keiner – nicht Heinz Rühmann, nicht Rudolf Prack, allesamt zu deutlich-tüftler- und försterhaft-verbissen – hatte dieses Flair von verhaltener Erotik.

Nur einer wie O. W. Fischer konnte einen Millionendieb wie die Figur des Peter Voss verkörpern: ein Schlawiner, mit dem man bangt, wenn er andere um ihren Zaster erleichtert. Ein Frauenverführer, ein Schwarm, ein „Bambi“-König, kurz: ein Popstar seiner Zeit. Gar an Cary Grant erinnerten ihn manche Kritiker, und an dieser Wahrnehmung traf zu, dass O. W. Fischer unbeschwert wirkte wie ein Lebenslustiger, der sich den Alltag nur deshalb mit Problemchen zu beschweren schien, um eben diesen Alltag noch etwas raffinierter zu gestalten.

Schon in den Sechzigern war seine große Zeit vorüber, wohl weil er auch keine Lust mehr hatte, eine öffentliche Person zu sein, angehimmelt. Letztlich schätzte O. W. Fischer die Ruhe und Abgeschiedenheit im Tessin mehr als rote Läufer vor Premierenkinos.

In den letzten Jahren machte O. W. Fischer eher durch seine Liebe zum Horoskopischen und Esoterischen von sich reden; gelegentliche Talkshowauftritte von ihm ließen stets eine etwas ratlose TV-Gemeinde zurück: Der Mann nahm keine Rücksicht auf Zuschauer, die seinen kosmologischen Fantasien nicht auf Anhieb folgen konnten. Voriges Jahr gab er der Bild zu Protokoll: „Ich habe meine Frau und meine Freunde, sogar meine Katzen überlebt. Zeit wird’s, dass der liebe Gott nun auch mich abruft.“ In seinem Sinne lässt sich sagen, dass er erhört wurde: O. W. Fischer, der nichts gab auf cinemetografische Renaissancen oder Comeback, der auf seine jüngeren Jahre wie auf erledigte Verhältnisse zurückzublicken beliebte, starb am Montag im Alter von 88 Jahren im schweizerischen Lugano. JAN FEDDERSEN