Blair folgt Bush mit Kehrtwende

Auch der britische Premierminister stimmt einer unabhängigen Irak-Untersuchung zu. Er ernennt seinen ehemaligen Privatsekretär zum Chef der Kommission. Der Rundfunksender BBC setzt einen regierungskritischen Satirebeitrag ab

VON RALF SOTSCHECK

Nach US-Präsident George W. Bush machte nun auch Tony Blair eine Kehrtwende: Der britische Premierminister versprach gestern eine unabhängige Untersuchung der geheimdienstlichen Erkenntnisse über die angeblichen Massenvernichtungswaffen im Irak. Nachdem Bush bereits am Sonntag eine solche Untersuchung angekündigt hat, blieb Blair nichts anderes übrig, als nachzuziehen, auch wenn sein Sprecher behauptete, man habe in der Sache eng mit Washington zusammengearbeitet.

„Ich akzeptiere, dass wir nun eine weitere Untersuchung benötigen“, sagte Blair gestern vor dem Unterhaus. Er werde jedoch nicht akzeptieren, dass es falsch war, den Irak anzugreifen, fügte er hinzu. Welchen Arbeitsauftrag man der Untersuchungskommission erteilen werde, sei Gegenstand der Verhandlungen mit den Oppositionsparteien, sagte Blair. Die Liberalen Demokraten bestehen darauf, dass nicht nur untersucht wird, ob die Erkenntnisse der Geheimdienste korrekt waren, sondern dass auch die politische Beurteilung dieser Erkenntnisse in die Untersuchung miteinbezogen wird.

Fest steht, dass die Kommission von Lord Butler of Brockwell geleitet werden soll. Der 66-Jährige hat für vier Premierminister gearbeitet und war bis 1998 Privatsekretär von Tony Blair. Nach dem Debakel mit Lordrichter Brian Hutton, der Blair vorige Woche unter Missachtung aller Beweise einen Persilschein in der Kelly-Affäre ausstellte, konnte die Regierung nicht erneut einen Richter mit der Untersuchung beauftragen.

Der Unterhausausschuss des Außenministeriums stellte vorgestern fest, dass die „Glaubwürdigkeit der USA und Großbritanniens in ihrem Kampf gegen den Terrorismus Schaden erlitten“ habe, da es nicht gelungen sei, irgendwelche Massenvernichtungswaffen im Irak zutage zu fördern. Der Krieg habe im Gegenteil die Gefahr terroristischer Anschläge in Großbritannien vergrößert.

Bushs – und damit auch Blairs – Entscheidung für eine Untersuchung ist durch den Rücktritt des CIA-Mannes David Kay ausgelöst worden, der für die Suche nach Massenvernichtungswaffen im Irak zuständig war. Er räumte vorvergangene Woche ein, dass man wahrscheinlich nie Massenvernichtungswaffen im Irak finden werde. Blair klammerte sich gestern an einen Strohhalm: Kay habe auf Indizien für ein irakisches Waffenprogramm hingewiesen. „Falls das stimmt, dann war die rechtliche Basis für den Krieg einwandfrei“, hofft Blair.

Der Hutton-Bericht hatte diese Frage außer Acht gelassen. Seine Wirkung auf die BBC, der die Alleinschuld an der Kelly-Affäre zugewiesen wurde, hat der Bericht aber nicht verfehlt. Der Sender hat vorsichtshalber eine Satiresendung abgesetzt, die morgen auf Radio 4 ausgestrahlt werden sollte. Darin spielen Stephen Fry und John Bird zwei „Spin Doctors“ der Labour Party, die von der BBC verlangen, einen unliebsamen Nachrichtenbeitrag aus dem Programm zu nehmen. Beim aktuellen politischen Klima sei dies nicht sendefähig, meinte eine BBC-Sprecherin.