Irakische Sender im Visier

USA bestätigen gezielten Schlag gegen Staatsfernsehen in Bagdad. Nationales Programm gestern Morgen wieder auf Sendung. Amnesty international verurteilt TV-Angriff als völkerrechtswidrig

von STEFFEN GRIMBERG

Um 9 Uhr Ortszeit war das nationale TV-Programm im Irak gestern früh wieder auf Sendung: Nach dem Borbardement der vergangenen Nacht, das auch das irakische Staatsfernsehen zum Ziel hatte, brachte es Verse aus dem Koran und später die üblichen Beschimpfungen der US-Truppen.

Agenturen in Bagdad berichten von teilweise schwächerem Empfang und verwackelten Bildern, die darauf schließen lassen, dass eilig Ersatzanlagen für die zerstörten Sendeanlagen in Betrieb genommen wurden. Das im Irak selbst nicht zu empfangende Satellitenprogramm Iraq TV, das den Betrieb mit Beginn des Angriffs eingestellt hatte, war gestern Vormittag zunächst wieder auf Sendung, wurde gegen Mittag aber offenbar erneut unterbrochen. Das staatliche Radio sendete die ganze Zeit weiter.

Nach US-Angaben wurden die irakischen TV- und Satellitenanlagen gezielt angegriffen: „Kurz vor Tagesanbruch haben die Verbündeten den irakischen Hauptfernsehsender sowie einen Schlüsseltelekommunikationsraum und Bagdads Mobilfunknetz getroffen, wobei die Kommando- und Kontrollfähigkeiten des Regimes beeinträchtigt wurden“, zitierte Reuters einen US-Sprecher. US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hatte am Wochenende erklärt, der Sender sei schwer zu treffen, weil er sich in einem Wohngebiet der irakischen Hauptstadt befinde.

Amnesty international und die Internationale Journalisten-Organisation (IFJ) haben die Angriffe scharf kritisert: „Die Bombardierung eines Fernsehsenders, nur weil er für Propagandazwecke genutzt wird, ist völlig unakzeptabel“, sagte Claudio Cordone, Völkerrechtsexperte bei amnesty. IFJ-Generalsekretär Aidan White forderte UN-Ermittlungen: „Es dürfte sich bei diesem Angriff um einen Fall gewalttätiger Zensur handeln, der die Genfer Konvention verletzt.“

Rundfunkanlagen waren bereits im Jugoslawienkrieg 1998 bis 1999 Ziel von Luftangriffen. Auch der damalige US-Präsident Bill Clinton hatte die Nato-Bomben auf das amtliche Serbische Fernsehen damit gerechtfertigt, dieses diene ausschließlich als Propaganda- und Kommandoinstrument des Milošević-Regimes. 2001 wurde im Afghanistankrieg auch das Büro des arabischen Nachrichtenkanals al-Dschasira in Kabul bombardiert.