Frauen wollen wie Professoren zahlen

Bei der Riester-Rente müssen Frauen mehr einzahlen als Männer, weil sie länger leben. Aber es gibt auch langlebige Männer, etwa Professoren. Sie müssen jedoch nicht mehr bezahlen. Ungerecht – finden Frauenpolitikerinnen und fordern Unisex-Tarife

AUS BERLIN COSIMA SCHMITT

Eine bessere, gerechtere Riester-Rente – das wünschen sich Parlamentarierinnen aller Fraktionen. Der Staat darf nichts fördern, was Frauen benachteiligt, finden Frauenpolitikerinnen der Regierung und Opposition. Gemeinsam fordern sie nun: Die geplante Novelle der Riester-Rente soll vorschreiben, dass Frau und Mann für gleiche Beiträge später eine identische Monatsrate erhalten.

Bisher müssen Frauen bis zu 15 Prozent mehr einzahlen, damit sie im Alter monatlich genauso viel beziehen wie ein Mann. Frauen werden meist älter, argumentieren die Versicherungen, und profitieren daher länger von den Auszahlungen.

„Der Gleichberechtigungsauftrag des Grundgesetzes wiegt stärker als die Sterbetafeln der Lebensversicherer“, meinen hingegen die Verfechterinnen der Unisex-Tarife. Sie wollen die Riester-Vorsorge angleichen an das, was bei der gesetzlichen Rente üblich ist: Wie viel ausgezahlt wird, ist unabhängig vom Geschlecht.

Das soll jetzt auch für private Altersvorsorge gelten – zumindest, wenn sie staatlich gefördert ist. „Die Riester-Rente soll die Lücke schließen, die die gesetzliche Rente wahrscheinlich bald lässt. Dann ist es folgerichtig, dass Frauen nicht schlechter gestellt sind“, sagt Irmingard Schewe-Gerigk, frauenpolitische Sprecherin der Grünen. „Die jetzige Regelung unterläuft das Solidarprinzip.“

Ein weiteres Argument: Es ist willkürlich, allein nach dem Geschlecht zu differenzieren. Auch bei den Männern sterben einige Gruppen früher, sie leiden stärker unter körperlichem Verschleiß. Wollte man die vermutete Lebensdauer gewichten, müsste der Professor mehr zahlen als der Möbelpacker, der Dünne mehr als der Dicke, der Fitness-Freak mehr als der Sportmuffel.

Zumindest die Initiatorinnen beteuern, der Unisex-Tarif wäre im Parlament mehrheitsfähig. Immerhin hätten die Grünen auf ihren Parteitagen mehrfach für die Einheits-Rente votiert. Und auch in der SPD fänden viele die Novelle sinnvoll, sagt Karin Junker, Mitglied im Parteivorstand. Und die eine oder andere Stimme der Opposition wäre wohl ebenfalls sicher – nicht nur jene von Maria Böhmer, Vize-Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, und von Ina Lenke, frauenpolitischer Sprecherin der FDP, die den Aufruf unterzeichneten.

Allerdings gibt es keine konkreten Pläne, den neuen Tarif einzuführen. Ein Plan der Sozialministerin Ulla Schmidt (SPD) ist Ende 2003 gescheitert: Sie wollte die Riester-Rente gerechter gestalten, indem sie Männer wie Frauen verpflichtet, Hinterbliebene mit abzusichern. Das hätte, so die Idee, den Weg zu Einheitstarifen geebnet, weil die längere Lebenserwartung der Frau über die Mitversicherung des Mannes ausgeglichen wird. Auch sollte jede Riester-Police zusätzlich den Schutz vor Invalidität abdecken. Das aber hätte die Zusatzversicherung erheblich verteuert; das Konzept fand daher keine Mehrheit.

Beim jetzigen Plan hingegen soll die Altersvorsorge in der Summe gleich viel kosten. Die Belastung würde nur anders verteilt. Frauen müssten weniger als bisher zahlen, Männer dafür etwas mehr – Experten rechnen mit rund 10 Prozent.

Die Versicherungen wehren sich energisch gegen den Eingriff in ihre Selbstbestimmung. „Und in der Öffentlichkeit ist das Thema kaum präsent“, klagt Schewe-Gerigk. Doch die Zeit drängt: Voraussichtlich am 12. März will der Bundestag über die Neuregelung der Riester-Rente abstimmen.

Wenn sich bis dahin nichts tut, bleibt den Politikerinnen wenigstens die Hilfe aus Brüssel. Im November beschloss die EU-Kommission eine Richtlinie, die Versicherungen gleiche Tarife für Männer und Frauen vorschreibt. Nach einer Übergangsfrist von zwei Jahren könnte dann jede und jeder gegen geschlechtsbedingte Sonderbelastung klagen. Der Unisex-Tarif allüberall – vielleicht ist er nur eine Frage der Zeit.