„Die Wirtschaft weiß es besser“

Energieexperte Stephan Kohler kritisiert die Absicht der Regierung, eine neue Regulierungsbehörde für den Energiemarkt zu gründen. Die Reform führe auch dazu, dass die Privatverbraucher zusätzliche Kosten für Ökostrom tragen müssen

taz: Die rot-grüne Regierung hat beschlossen, eine neue Behörde ins Leben zu rufen, um den Energiemarkt zu regulieren. Eine gute Nachricht?

Stephan Kohler: Nein. Ich würde es begrüßen, wenn wir den bisher eingeschlagenen Weg fortsetzten, dass sich die Wirtschaft ohne Einmischung des Staates einigt. Die Unternehmen wissen doch viel besser Bescheid als eine staatliche Behörde.

Kleine Energiehändler, die in den vergangenen Jahren gegründet wurden, beschweren sich aber häufig, dass die alten Konzerne die Gebühren für die Benutzung der Stromnetze viel zu hoch ansetzen.

Natürlich muss der Staat dafür sorgen, dass etwa die RWE-Netzgesellschaft der RWE Energie AG nicht günstigere Gebühren für die Benutzung der Stromleitungen einräumt als einem neuen Ökostromhändler. Alle Konkurrenten müssen die gleichen Bedingungen haben.

Man kann Zweifel hegen, ob das heute so ist.

Wenn das so sein sollte, hilft eine Regulierungsbehörde auch nicht. Es reicht, dass die Verbände der Wirtschaft gleiche und transparente Bedingungen festlegen, wie sie es mit ihren Verbändevereinbarungen teilweise ja schon gemacht haben. Und dann braucht man einen Mechanismus, der Streifälle juristisch schnell schlichten kann, damit die Großen die Kleinen nicht mit langwierigen Gerichtsverfahren schädigen. Eine staatliche Schiedsstelle befürworte ich.

Liegt Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) mit seiner Einschätzung richtig, dass die Strompreise infolge der Regulierung sinken?

Die Strompreise setzten sich im Wesentlichen aus zwei Komponenten zusammen: Netznutzungsgebühren und Erzeugungkosten. Bei den Durchleitungskosten sehe ich die Möglichkeit zur Preissenkung.

Die Einigung zwischen Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD), Umweltminister Trittin und den Regierungsfraktionen ist ein Geschäft. Die Grünen bekommen die von ihnen geforderte Regulierungsbehörde, die SPD hat eine Härtefallregelung für die stromintensiven Betriebe durchgesetzt. Sind deren Klagen überhaupt berechtigt?

Tatsache ist, dass die Umlage der Ökostromförderung auf alle Verbraucher im Rahmen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes besonders die Kosten der stromintensiven Unternehmen erhöht. Die Aluminium- und Stahlindustrie kommt da allmählich an eine Grenze, die ihre Konkurrenzfähigkeit mit dem Ausland in Frage stellt. Wenn wir wollen, dass die Flügel für unsere Windanlagen auch in Zukunft in Deutschland hergestellt werden, muss man eine Härtefallregelung befürworten.

Ab einer bestimmten Menge verbrauchten Stroms bezahlen Firmen dann weniger Ökoumlage. Heißt das, das die privaten Verbraucher einen größeren Anteil der Förderung übernehmen müssen, ihre Kosten also steigen?

Darauf wird es wohl hinauslaufen. Die zusätzlichen Kosten pro Privathaushalt betragen allerdings weniger als einen halben Cent pro Kilowattstunde.

INTERVIEW: HANNES KOCH