„Kürzungen greifen im Osten nicht“

Der ostdeutsche CDU-Bundestagsabgeordnete Arnold Vaatz ist gegen die Reformpläne von Kanzler Gerhard Schröder und Unionsmann Edmund Stoiber, weil es in den neuen Ländern für die meisten Arbeitslosen „schlichtweg keine Stellen gibt“

Interview BARBARA DRIBBUSCH

taz: Herr Vaatz, Bundeskanzler Schröder will die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes beschränken und die Arbeitslosenhilfe abschaffen. CSU-Chef Stoiber möchte die Sozialhilfe für Erwerbsfähige kürzen. Aus den neuen Bundesländern kommen Proteste. Haben die westlichen Politiker den Osten vergessen?

Arnold Vaatz: Der Osten scheint für Schröder überhaupt nicht zu existieren. Auch das Koordinatensystem einzelner Abgeordneter meiner Fraktion ist zweifellos ergänzungsbedürftig, was die neuen Bundesländer betrifft. Ich bestreite, dass der Großteil der Abgeordneten aus dem Westen Deutschlands wirklich verstanden hat, was es bedeutet, eine Arbeitslosigkeit von 30 Prozent oder mehr im eigenen Wahlkreis zu haben.

Schröder und Stoiber behaupten, durch Kürzungen bei den Leistungen ließen sich mehr Arbeitslose dazu bewegen, einen Job anzunehmen.

Solche Kürzungmaßnahmen würden in den neuen Bundesländern gar nicht greifen. Dort gibt es schlichtweg keine Stellen für die meisten Arbeitslosen. Dort kommt es mit den Kürzungen nur zu einem gigantischen Verlust an Kaufkraft.

Glauben Sie, dass die ostdeutschen CDU-Länder gegen die geplanten Reformgesetze von Schröder stimmen werden?

Dazu kann ich nichts sagen. Erst einmal müssen die Gesetzentwürfe auf den Tisch.

Im Westen wird oft argumentiert, der Osten habe schon genug staatliche Förderung bekommen. Jetzt müsse man das mal einschränken.

Es geht hier doch nicht um mehr Geld vom Westen. Wir brauchen weniger gesetzliche Einschränkungen. Die ostdeutschen Länder müssen befreit werden von vielen gesetzlichen Regelungen, die im Westen in vierzig Jahren Bundesrepublik gewachsen sind und die sich im Osten kontraproduktiv auswirken.

Zum Beispiel?

Es gibt einen Gesetzentwurf des sächsischen Wirtschaftsministers Gillo, der im Bundesrat zur Beratung liegt. Darin wird festgehalten, dass in Ländern mit einer überdurchschnittlich hohen Arbeitslosenquote das Tarifrecht und der Kündigungsschutz gelockert werden können. So sollen dort betriebliche Vereinbarungen über untertarifliche Löhne möglich sein, auch ohne Mitwirkung der Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften. Und der Kündigungsschutz soll bei Neueinstellungen erst in Betrieben mit mehr als 80 Mitarbeitern gelten. Diese Lockerungen würden den Staat nichts kosten, dem ostdeutschen Mittelstand aber helfen, Arbeitsplätze bereitzustellen. Und solche Lockerungen könnte man auch woanders einführen: im Hochschulrahmenrecht, im Raumordnungs- und im Umweltrecht.

Werden die westlichen CDU-Länder für den Gillo-Entwurf stimmen?

Ich hoffe es. Allerdings scheint man im Westen mittlerweile zu befürchten, dass solche Modelle im Osten erfolgreich sein könnten und dann unerwünschten Veränderungsdruck im Westen schaffen.