Wer folgt auf Hussein?

Washington scheint kein Interesse an der Einsetzung eines Interimsregierungschefs zu haben

Die Suche nach Diplomaten mit Krisenerfahrungen hat begonnen

von INGA ROGG

Die Versprechen sind groß, die Erwartungen hoch: Frieden, Demokratie, Menschenrechte und Wohlstand will die amerikanische Regierung den Irakern bringen, wenn die Schlacht gegen Saddam Hussein und sein Regime erst einmal gewonnen ist. Es gehört schon jetzt zu einer besonderen Ironie des Irakkonflikts, dass diese Post-Saddam-Vision so ungleiche Partner zusammengebracht hat wie die neokonservativen Revolutionäre um den Pentagon-Vize Paul Wolfowitz und die eher linksliberalen Visionäre innerhalb der irakischen Opposition um den Intellektuellen Kanan Makiya.

Jüngste Planungen sehen jetzt vor, den Irak nach Kriegsende nicht nur unter amerikanische Militär-, sondern auch Zivilverwaltung zu stellen. Analog zu den ehemaligen osmanischen Provinzen Bagdad, Basra und Mosul soll das Zweistromland in drei Militärzonen unterteilt werden. Für den Posten des obersten Militärgouverneurs sind der Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte im Irakkrieg, Tommy Franks, aber auch sein Stellvertreter, der fließend Arabisch sprechende John Abizaid im Gespräch. Die Fäden der Zivilverwaltung sollen demnach bei dem Rumsfeld-Freund und pensionierten Armeegeneral Jay Garner zusammenlaufen, der seit Januar Chef des im Pentagon angesiedelten Büros für Wiederaufbau und humanitäre Hilfe ist.

Neben der Oberhoheit über zivile Administration werden dem Armeegeneral Garner aber auch die Abteilungen für Wiederaufbau und humanitäre Hilfe in den drei Besatzungszonen unterstehen. Um die Posten in den drei Zonen zu füllen, hat eine hektische Suche unter ehemaligen Diplomaten mit Erfahrungen in Krisengebieten begonnen. Heiße Favoritin für den Job im Zentralirak ist Barbara Bodine, die zur Zeit des Anschlags auf die „USS Cole“ im Jahr 2000 Botschafterin in Jemen war. Ganz undiplomatisch legte sie sich dort mit dem FBI an, als dieses lokale Agenten mit schweren Waffen ausrüsten wollte.

Gemäß diesen Planungen käme der künftigen US-amerikanischen Leitung der Zivilverwaltung die Rolle zu, die in Bosnien, Kosovo oder in Afghanistan der Chef der UN-Verwaltung innehat. Geht es nach Bush, soll die UNO erst dann wieder eine gewichtige Rolle im Irak spielen, wenn sich die Lage stabilisiert hat. Ohnehin scheint man im Weißen Haus die UNO eher als eine Art NGO zu sehen, die für humanitäre Hilfe zuständig ist – eine Aufgabe, die sie im Rahmen des „Oil for Food“-Programms in den letzten Jahren in Kurdistan bereits übernommen hat.

Die Zivilverwaltung soll analog zur Entnazifizierung in Deutschland nach 1945 eine „Entbaathisierung“ einleiten, indem sie die Säuberung der irakischen Behörden von hochrangigen Vertretern der herrschenden Baath-Partei überwacht. Damit ist in den US-Planungen nicht nur die UNO außen vor, sondern auch die irakische Opposition. Denn eine irakische Übergangsregierung soll es fürs Erste nicht geben, dafür soll der amerikanischen Ziviladministration ein Beratergremium aus irakischen Experten zur Seite gestellt werden.

Dieses Gremium wird sich voraussichtlich aus den 14 Komitees rekrutieren, die bei der Konferenz im nordirakischen Salahaddin vor einem Monat aus der Taufe gehoben wurden. Neben Finanzen, Wirtschaft, Bildung und Sozialem umfassen sie Belange wie auswärtige Beziehungen, Menschenrechte, Wiederaufbau, Umsetzung der UN-Resolutionen, Rückkehr von Vertriebenen sowie Justiz und Verfassung. Noch gehören ihnen vor allem Exilanten an, das soll sich aber ändern, sobald der Krieg vorbei ist. Wer dem Despoten noch rechtzeitig den Rücken gekehrt hat, könnte dann die Früchte dafür ernten, indem er in den Kreis der Oppositionellen aufgenommen wird.

Ausgenommen davon sind allerdings rund 50 Personen, die sich auf der von den Oppositionellen erstellten Liste der Kriegsverbrecher finden und die vor einem Tribunal zur Rechenschaft gezogen werden sollen. Darüber hinaus existieren Dossiers über mehrere hundert Regimegetreue, deren Schicksal von ihrem Verhalten während des Kriegs abhängt.

Damit haben Saddams Gegner zwar einen Anreiz geschaffen, um den Zusammenbruch des Regimes zu beschleunigen. Zugleich haben sie aber künftigen Intrigen Tür und Tor geöffnet. Schon heute findet sich mit dem Exchef des Militärgeheimdienstes, Wafik al-Samarai, einer der ranghöchsten Schergen des Regimes in den Gremien, der sich in der Rolle des Widerstandskämpfers gefällt.

Für weiche Themen wie Gesundheit soll die Opposition zuständig sein

In ihrem Zuschnitt weisen die Komitees teilweise auf künftige Ministerien hin, wobei die zentrale Frage nach dem Umbau von Armee und Sicherheitsapparat dem etwas diffusen Ausschuss „nationale Belange“ übertragen wurde. Um nicht in den Ruch einer Kolonialmacht zu kommen, könnte Washington zumindest die „weichen“ Aufgaben wie Gesundheit oder Soziales an die Opposition übertragen.

Abstand scheint man in Washington auch von der Idee genommen zu haben, sofort einen Interimsregierungschef einzusetzen. Alle Namen, die in den vergangenen Wochen kursierten, sind fast so schnell wieder verschwunden, wie sie auftauchten. Auch von dem in Salahaddin aus der Taufe gehobenen sechsköpfigen Führungsrat ist nichts mehr zu hören.

Fest steht aber, dass die acht Oppositionsgruppen, die von Washington als Repräsentanten der „freien Iraker“ anerkannt wurden, auch künftig ein gewichtiges Wort mitreden werden. Darunter auch die von Ankara hofierte Irakische Turkmenische Front sowie der Iraqi National Congress von Ahmed Chalabi. Obwohl in der Bush-Administration umstritten, vereinigt er doch Eigenschaften auf sich, die ihn für viele Seiten akzeptabel machen: Er stammt aus einem alten Handelsgeschlecht der schiitischen Bevölkerungsmehrheit und vertritt den liberalen und säkularen Reformflügel.

Zustimmung für ihre Besatzungspläne bekommen die USA bislang allerdings nur von den Kurden. In einer Umfrage des Instituts für Demokratie in Erbil sprach sich die Mehrheit für eine UNO-Friedensmission aus, gefolgt von den USA. Die irakische Opposition landete weit abgeschlagen auf dem dritten Platz. Allerdings hat der schiitische Hohe Rat für Islamische Revolution im Irak Widerstand gegen eine US-Besetzung angekündigt.