Autonome Kerne

Das Recht, für Haustarifverträge zu streiken: Landesarbeitsgericht Kiel bremst Heidelberger AG aus. Der Streik geht trotz Drohung mit Aussperrung weiter

Belegschaften, die von Massenentlassungen betroffen sind, haben zusammen mit ihren Gewerkschaften das Recht, Rausschmisse durch einen Haustarifvertrag zu lindern. Das hat in 2. Instanz das Landesarbeitsgericht (LAG) in Kiel gestern entschieden. Damit wurde ein Antrag der Heidelberger Druckmaschinen AG zurückgewiesen, ein Arbeitskampfverbot gegen die IG Metall für das Kieler Heidelberg-Werk auszusprechen. Bei Heidelberger wird seit über einer Woche gestreikt, um Produktionsverlagerungen in die USA und 800 Entlassungen zu verhindern.

„Zum Kern der Tarifautonomie gehört auch in diesem Fall das Recht auf Arbeitskampf“, sagte die Vorsitzende Richterin Sylke Otten-Ewer in ihrer Begründung. Nach Ansicht der Kammer ist der Streik zulässig: „Die Tarifforderungen beziehen sich nicht auf den Standorterhalt, sondern werden nur für den Fall der Produktionsverlagerung gestellt“, sagt die Richterin. „Durch die Forderungen ergibt sich nicht zwangsläufig ein Leerlauf der grundgesetzlich geschützten Unternehmensautonomie, zumal die IG Metall nach der erstinstanzlichen Verhandlung deutlich gemacht hat, dass ihre Forderungen entsprechend den betrieblichen Gegebenheiten verhandelbar sind.“ Ein firmeninterner Verbandstarifvertrag könne auch durch Streik erstritten werden, weil ein derartiger Tarifvertrag grundsätzlich zulässig sei.

Damit hat das Gericht ein neues arbeitsrechtliches Fass aufgemacht. Denn der Unternehmensverband Nordmetall, dem Heidelberger angehört, hat angekündigt, bei Fortsetzung des Streiks auszusperren. Nach der Rechtsprechung könnte sich der Verband Nordmetall nur in Norden „angegriffen“ fühlen. Das würde Aussperrungen bei HDW-Kiel oder anderen Rüstungsbetrieben zur Folge haben. Oder sie sperren diejenigen aus, die momentan noch bei Heidelberger arbeiten.

„Darüber würden wir uns eher freuen“, verlautet aus der IG Metall. Oder sie verhandeln tatsächlich, denn eine Aussperrung im Heidelberger Hauptwerk könnte für die Unternehmensstrategie ebenfalls kontraproduktiv sein. Die IG Metall fordert für den Fall von Produktionsverlagerungen verlängerte Kündigungsfristen sowie die Einrichtung einer Qualifizierungsgesellschaft für die von Entlassung Betroffenen. kai von appen