Die Herausgeforderte

Sozialsenatorin Karin Röpke ist ein Jahr im Amt. Die Nachfolgerin von Hilde Adolf hat jetzt Bilanz gezogen. Was sie in dieser Zeit am meisten ausgeprägt hat? „Das Nein-Sagen“

taz ■ „Herausforderung“ war das Wort, das Karin Röpke am Mittwochabend am häufigsten benutzte. Die Senatorin für Arbeit, Frauen, Gesundheit, Jugend und Soziales zog Bilanz: Ein Jahr ist es her, dass die ehemalige Geschäftsführerin der SPD-Fraktion den Posten von der tödlich verunglückten Hilde Adolf übernommen hat.

Eine „Herausforderung“ also, das habe sie zwar geahnt, so die 48-Jährige, „aber in der ganzen Dimension habe ich mir das so nicht vorstellen können.“ Zur ihrem Schwerpunkt habe sie die Konsequenzen aus Pisa erkoren, sprich: die Betreuung der Null- bis Sechsjährigen. Gerade mal 10,4 Prozent der Kinder bis drei Jahre haben in Bremen einen Krippenplatz. „Nicht ausreichend, das reicht bei weitem nicht“, sagt Röpke. Es gebe eine Initiative des Bundes, den Betreuungsgrad in dieser Altersgruppe auf 20 Prozent zu erhöhen – „und die Kindergärten müssen sich noch stärker öffnen gegenüber Elterninteresse und Elternengagement.“

Auch Hortplätze sind rar. 4.920 Plätzen stehen 5.637 Anmeldungen gegenüber: Die Eltern von gut 700 Schulkindern müssen sehen, wo sie mit ihrem Nachwuchs bleiben. Röpke: „Eine Aufgabe für die Zukunft.“ Der Rechtsanspruch der Drei- bis Sechsjährigen auf einen Kindergartenplatz sei zwar erfüllt, mit „kleinen Problemen in Gröpelingen und der Neustadt“, aber für die immer wieder geforderte Zweitkraft „brauchen wir das nötige Geld“. Für Röpke haben die Zweitkräfte Vorrang vor der ebenfalls geforderten Gebührenfreiheit: „Beides geht nicht.“

Nächstes großes Thema: die Krankenhäuser. Die Umwandlung der kommunalen Krankenhäuser in gemeinnützige Gesellschaften sei „gottseidank auf dem Weg“. Der Pflege- und Altenwohnbereich müsse ausgebaut werden: Stationäre Heime haben einen „riesigen Sanierungsbedarf“. Überdies, so die Senatorin, „brauchen wir weitere und neue Angebote“, um Wohnen und Pflege zu Hause so lange es geht möglich zu machen. Dafür gebe es ebenso humanitäre wie auch pekuniäre Argumente: Gut aufgestellt zu sein für alte Menschen, mache die Stadt für diese Bevölkerungsgruppe attraktiv – hier könnten NeubürgerInnen nach Bremen geholt werden.

„Fördern und Fordern“ lautet das Stichwort aus der Bundespolitik, mit dem Röpkes Vorgängerin Hilde Adolf angetreten war, arbeitsfähige SozialhilfebezieherInnen zu „aktivieren“. Die Reform des Amts für Soziale Dienste – Einrichtung von zwölf so genannten Sozialzentren in den Stadtteilen – stockt indes. Die Sozialzentren stehen, „aber wir haben große Probleme, was die Funktionsfähigkeit angeht“, so die Senatorin. Am Abend ihrer Bilanz nannte sie dafür nur einen Grund: „Die Zentren sind auf Teams angelegt. Die Mitarbeiter können nur gut als Team arbeiten, wenn sie räumlich zusammen sind.“ Da verhandele man mit der für die Landes-Immobilien zuständigen Gesellschaft.

„Gewaltige Herausforderungen“ biete der Arbeitsmarkt. „Wir sind“, formulierte Röpke, „mit einer Situation konfrontiert, wo durch Hartz neue Perspektiven sicherlich den richtigen Weg aufzeigen, was aber leider dazu geführt hat, dass die Bundesanstalt für Arbeit schon mal die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gekürzt und das Weiterbildungskonzept auf den Weg gebracht hat.“ Im Klartext: Es wird fleißig gestrichen, ohne dass die neuen Instrumente bereits wirken. „Wenigstens bis zum Greifen von Hartz müssen Übergänge geschaffen werden“, findet Röpke. Gute Arbeit von Beschäftigungsträgern dürfe nicht wegbrechen.

Wie sie die SPD-Sozial- und Arbeitsmarktpolitik bewerte? Karin Röpke: „Wo das Sozialdemokratische in dieser Politik bleibt, wird gerade unter Sozialdemokraten sehr kritisch diskutiert.“ Sie aber stehe hinter diesem Kurs: „Ich sehe keine Chance, das anders zu betreiben.“

Offenheit und Neugierde seien die Eigenschaften, die ihr in ihrem ersten Senatorenjahr am meisten zugute gekommen seien. Und was hat sie am meisten ausgeprägt? Sie überlegt kurz. Dann sagt sie: „Das Nein-Sagen.“

Susanne Gieffers