affäre waschbrettkopf. eine farce und ihr ende von WIGLAF DROSTE
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Am 20. Juli 1999 ließen Gerhard Schröder, Rudolf Scharping und Joseph Fischer im Berliner Bendlerblock eine Rekrutenvereidigung durchführen – also da, wo die Nazis Widerstandskämpfer hinrichteten. Die deutsche Regierung, die sich damals mit anderen in einem Angriffskrieg gegen Serbien befand, wollte so den Eindruck erwecken, dass deutsche Soldaten, die Serben angriffen, eigentlich retrospektiv gegen Adolf Hitler kämpften.

Etwa 20 Berlinerinnen und Berliner störten die organisierte Seligsprechung, indem sie nackt dazwischen liefen. Sosehr ich ein Verfechter der vollständigen Angezogenheit auch im Sommer bin – diese Aktion gefiel mir. Jeder konnte sehen, was Feldjäger tun: zu fünft, angezogen und bewaffnet, eine nackte Frau zusammenschlagen und fortschleifen. Gerhard Schröder kommentierte den Vorfall wörtlich so: „Das bestätigt, dass es nicht immer die Mädchen mit den besten Figuren sind, die sich ausziehen.“

In der taz nannte ich Schröder dafür „den obersten Waschbrettkopf des Landes“; die Feldjäger bezeichnete ich analog als „Waschbrettköpfe“. Das war sehr milde formuliert, die Feldjäger aber fühlten sich beleidigt und klagten – nicht etwa, weil ich sie mit Schröder gleichgesetzt hatte, was originell gewesen wäre, sondern wegen „Beleidigung der Bundeswehr“. Ich wusste gar nicht, dass man solche Typen beleidigen kann.

Anwalt Albrecht von Olenhusen und ich waren erstaunt darüber, dass ein Wort beleidigend sein soll, das gar nicht existiert: Wieso muss diese erfundene Vokabel herabsetzend gemeint sein? Ein Duden-Herausgeber schrieb: Ein Wort, das noch gar nicht „in die deutsche Sprachfamilie integriert“ wurde, sei in seiner Bedeutung noch nicht erfasst und deshalb auch nicht justiziabel. Erst nach etwa 15 Jahren könne entschieden werden, ob es sich um ein neues Familienmitglied handele.

Die Formulierung „die deutsche Sprachfamilie“ gefällt mir sehr: Man sieht alle Wörter im Wohnzimmer sitzen, alte, mittlere, junge, manche sind auch schon tot und keiner merkt es, und die kleinen sind noch auf Probe da. Erst nach 15 Jahren, wenn sie in der Pubertät sind, Drogen nehmen und abscheuliche Musik hören, werden sie vielleicht aufgenommen.

Justiz und Humor haben es schwer miteinander. Der Vorsitzende Richter konnte sich nicht zu einem Freispruch durchringen. Er verurteilte mich zu einer Geldstrafe von 2.100 Mark – die er allerdings für zwei Jahre zur Bewährung aussetzte. Das Urteil war ein Novum in der deutschen Justizgeschichte – wir akzeptierten. So lebte ich auf Bewährung. Die zwei Jahre als Krimineller auf Probe zählen zu den glücklichsten meines Lebens, vor allem wegen meiner Bewährungshelferinnen. Vielen Dank.

Im März 2003 fand die Farce auch formaljuristisch sprachlich das ihr angemessene Ende. Es erging folgender Gerichtsbeschluss: „In der Strafsache gegen Wiglaf Droste wird festgestellt, dass es mit der Verwarnung aus dem Urteil des Landgerichts Berlin vom 22. 01. 2001 sein Bewenden hat. Der Verurteilte hat sich, soweit ersichtlich, bewährt.“ – „Soweit ersichtlich“ stimmt genau.