Eine Familie ist wieder vereint

Nach sieben Jahren wurde jetzt eine irakische Flüchtlingsfamilie in Bremen zusammengeführt. Jahrelang und wohl rechtswidrig hatten deutsche Botschaften eine Ausreise dreier Kinder verhindert

von Jan Zier

Mittwoch, Frankfurt am Main, Flughafen. Es ist ein Moment, auf den Burhan Mustafa und Jian Majid über sieben Jahre haben warten müssen. Seit August 2001 sehen sie drei ihrer Kinder zum ersten Mal wieder. Dabei hätte dieser Moment schon vor gut fünf Jahren kommen können. Doch die deutsche Botschaft in Damaskus hat das seinerzeit verhindert – „rechtswidrig“, wie der Anwalt der Familie Albert Timmer sagt.

Burhan Mustafa, ein Automechaniker aus Babel, hatte es sich mit dem irakischen Geheimdienst verscherzt, weil er dessen Mitarbeitern nicht länger für umsonst ihre Autos reparieren wollte. Auch den Diktator Saddam Hussein wusste er nicht dem Regime angemessen zu würdigen. Als ihm bedeutet wurde, der Geheimdienst wolle ihn festnehmen, floh er Hals über Kopf, versteckt in einem LKW, gemeinsam mit seiner kurdischstämmigen Frau und dem schwerstbehinderten, damals 13-jährigen Sohn Kodo Abbas. Vier Kinder blieben zurück. Sie kamen bei Verwandten unter, über das Land verteilt. Seit März 2002 ist Mustafa als politisch Verfolgter anerkannt, lebte zunächst in Ostfriesland, später in Bremen.

Die Familienzusammenführung scheiterte zunächst an den Kriegswirren, erst im Dezember 2003 gelang es den Kindern, ins syrische Damaskus zu reisen, um dort einen Visumsantrag zu stellen. Der wurde nach drei Monaten abgelehnt, obwohl er, wie Timmer sagt, „hätte genehmigt werden müssen“. Die Familie besitze kein dauerhaftes Aufenthaltsrecht, hieß es seinerzeit zur Begründung, und das Einkommen der Familie reiche auch nicht aus. „Dabei kann bei anerkannten Flüchtlingen grundsätzlich von der Sicherung des Lebensunterhaltes abgesehen werden“, sagt Timmer.

Zwei Jahre später, Ende 2005, gelang dem damals 15-jährigen Sohn Diako die Flucht, ebenfalls in einem LKW versteckt. Sein Asylantrag wurde zunächst abgelehnt. Weitere zwei Jahre später, kurz vor Weihnachten 2007, stand die Familienzusammenführung erneut kurz bevor. Das Innenressort in Bremen hatte bereits seinen Segen erteilt – doch diesmal war es die deutsche Botschaft im jordanischen Amman, die die drei verbliebenen Kinder nicht ausreisen lassen wollte, weil Dokumente nicht ins Deutsche übersetzt wurden, weil der gesicherte Lebensunterhalt nicht nachgewiesen sei. Und weil die Identität der Kinder nicht geklärt sei. Es gebe Zweifel an der leiblichen Elternschaft, teilte das Auswärtige Amt mit. Und die drei heute 15 bis 17-jährigen Kinder Beyjahr, Racan und Kanar wurden zum dritten Mal in ein Kriegsgebiet zurück geschickt. Mittlerweile hatte sich neben den Hilfsorganisationen Refugio Bremen und Pro Asyl auch die Ökumenische Ausländerarbeit Bremen sowie die grüne Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck für Familie Mustafa engagiert. Im Oktober diesen Jahres schließlich wurde mit einer Speichelprobe geklärt, dass Burhan Mustafa und Jian Majid tatsächlich die leiblichen Eltern sind.

Rechtsanwalt Timmer wirft den zuständigen Behörden „Inkompetenz“ und „eine gewisse Gleichgültigkeit“ vor – „bösartige“ Absichten mag er ihnen im vorliegenden Fall nicht unterstellen. Er behalte sich jedoch vor, Schadensersatzklage zu erheben und auch gegen einzelne Botschaftsangehörige vorzugehen, sagte er gestern. Die traumatisierten Eltern sind seit vergangenem Jahr in psychologischer Behandlung – und hoch verschuldet: Die Familien-Odyssee hat sie 18.000 Euro gekostet. Nur ein Teil dessen ist bislang durch Spenden gedeckt.