kulturhauptstadt
: Wir leben das – aber wie!

CHRISTIAN GOTTSCHALK: Die Kolumne am Donnerstag

„Hey“, dachte ich (ich hätte auch „mannometer“, „potztausend“ oder „guck an“ denken können, dachte aber: „hey“), als ich die ersten Reklameplakate für Köln als Kulturhauptstadt Europa (im Jahre 2010) sah, ein Kölner Logo ohne Dom drin, das ist schick, das ist mutig, das ist gut. Die Zahl 2010 steht in zwei Pfeilen, und farblich und formlich (hübsches Wort, steht leider nicht im Duden) erinnert das Logo an ein nautisches Symbol.

„Och nö“ dachte ich dann (ich hätte auch „nee, ne?“, „so‘n Mist“ oder „ihr Penner“ denken können), als ich erfuhr, was die beiden liegenden Dreiecke darstellen sollen. Die Domspitzen natürlich, flachgelegt. Bei Bewerbungserfolg sollen sie sich dann stolz aufrichten, heißt es. Ob sie dabei auch anschwellen, ist unbekannt.

„Wir leben das“, behaupten die Plakate, und zeigen wie in Köln Kultur und Alltag quasi eins sind. Da fährt ein junger Mann einhändig mit einem Bilderrahmen unter dem Arm Fahrrad (verboten), da benutzt eine junge Frau ein Kirchenportal als Fußballtor (sehr verboten), da verbeugt sich ein Dirigent aus dem Fenster seiner Altbauwohnung (erlaubt, aber vermutlich ist dem eine Ruhestörung vorausgegangen). Wir Künstler lassen eben schon mal öfter fünfe gerade sein. Ich fahre sogar manchmal freihändig!

Gar nicht unsympathisch, die Werbung, und es stimmt ja auch, dass in Köln allerorten gemalt, gedichtet, getanzt, gespielt und musiziert wird. Und gutherzige Wirte stellen die Ölbilder ihrer Gäste aus (was haben wir schon gelacht, vor allem über die Preisvorstellungen), in Kiosken finden Lesungen statt (geschehen am Brüsseler Platz) und auf Straßenfesten werden Sketche aufgeführt. Außerdem haben wir ja eine sehr lebendig ständig nörgelnde „freie Szene“.

Die Konkurrenz, also die Mitbewerber, scheinen auf den ersten Blick nicht so schwer zu packen zu sein. Braunschweig muss die Bewerbung offenbar gegen die lahmen Braunschweiger durchsetzen, Halle glänzt mit ostdeutscher Bescheidenheit, Görlitz klingt nach Nazi-Hochburg, Münster nach Bioladen-Mekka, Bamberg nach Postkartenstadt.

Allein, wenn sich in Köln etwas gründet, dass sich „Kompetenzteam“ nennt, dann schwant dem erfahrenen Kölner in Abwandlung einer beliebten Losung: Es kann noch alles schiefgehen.