Wetter & Epidemien

Die geplante Grippe

Monique erwischte es als Erste. Schniefend saß sie am Tresen und schlürfte heißen Pfefferminztee aus einem überdimensionalen Caipirinhaglas. Ich will sie nicht beschuldigen, die Epidemie losgetreten zu haben, doch kurz darauf war so ziemlich jeder krank. Es krächzte und hustete, wo man auch hinkam. Als auch ich ein leichtes Jucken im Halsbereich verspürte, musste eine schnelle Lösung her. Den Asiaten wird ja nachgesagt, in Sachen Grippebakterien eine gesunde Paranoia an den Tag zu legen. Vielleicht gibt es eine bisher unentdeckte Komponente in meinem Stammbaum, das würde zumindest meine ausgesprochene Panik vor Krankheiten erklären.

Ich mied also all die Grippe-Hotspots von engen Kellerbars über die Kifferhöhlen bis hin zu den öffentlichen Verkehrsmitteln und schluckte in vorauseilendem Gehorsam Vitamin-C-Pillen sowie allen möglichen Gesundheitsschnickschnack aus der Abteilung: „Wenn man dran glaubt, wirkt es auch!“ Doch als eines morgens der erste dicke Schleimklumpen meinen Rachen in Richtung Waschbecken verließ, konnte ich mir nichts mehr vormachen: ich war krank.

Anderntags erfuhr ich, dass ich mir all die Vorsichtsmaßnahmen hätte sparen können. Denn Damion kannte angeblich den Grund allen Übels. Er habe im Internet entdeckt, dass die Pharmaindustrie die Städte mit Grippeerregern besprüht, um ihre Absätze zu sichern. Beweise gebe es genug, ein untrügliches Zeichen seien sich kreuzende Kondensstreifen am Himmel. Er habe Fotos von riesigen Rastermustern gesehen, die einem zu denken gäben. Insofern: einfach kommen lassen und extra keine Medikamente kaufen, um der Pharmaindustrie eins auszuwischen. Guter Plan!

JURI STERNBURG