Zweierlei Maß: Ehre hier, Überleben da

Schule ohne Rassismus: Am Gymnasium Obervieland haben 80 Prozent der SchülerInnen die Selbstverpflichtung unterschrieben, sich couragiert gegen Rassismus einzusetzen. Zur Feier sang ein abgelehnter Asylbewerber aus dem Kamerun

Bremen taz ■ Das Gymnasium Obervieland versammelte sich gestern geschlossen in der Turnhalle. Oft passiert das nicht, aber es gibt keine Aula in diesem modernen Typ von Schule. Es ging um die Auszeichnung „Schule ohne Rassismus“. Zwei Jahre lang hat vor allem der Soziologie-Kurs des engagierten Lehrers Dieter Mazur darauf hingearbeitet.

Wie kann man eine Schülerschaft so sensibilisieren, dass am Ende 80 Prozent die Selbstverpflichtung unterschreiben und auch wissen, was sie da unterschreiben? Das war die Aufgabe – vielfältige kleine Projekte haben die SchülerInnen veranstaltet, bevor sie dann als Ergebnis die geforderte hohe Beteiligung erreichen konnten. Als „Schirmherren“ haben die SchülerInnen die Ausländerbeauftragte Marieluise Beck (Grüne)und den Bürgermeister Henning Scherf (SPD) ausgewählt und eingeladen.

An der Eingangstür der Schule hängt eine lange Liste türkisch und arabisch klingender Namen, die alle „Hausverbot“ haben. Cliquen-Krach ist Alltag in Obervieland und auch an dem Schulzentrum, in dem das Gymnasium angesiedelt ist. „Jeder verdient Respekt“, formulierte die Ausländerbeauftragte die Botschaft der „Schule ohne Rassismus“ um, „mit Kopftuch oder ohne Kopftuch“. Was tun angesichts der Konflikte zwischen den polnischen, türkischen oder russischen Cliquen? „Redet über diese Konflikte, das hilft oft schon“, meinte Beck.

Herbert Wulfekuhl, Leiter der Landeszentrale für politische Bildung, übergab das Schild „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“, das das Schulgebäude nun schmücken soll, und forderte die SchülerInnen auf, mit den 20 Prozent zu reden, die die Selbstverpflichtung nicht unterschrieben haben. Denn die hätten „ernsthafte Gründe“, vielleicht „unbequeme Argumente“, mit denen man sich auseinandersetzen müsse, so Wulfekuhl. Denn: „Wir brauchen sie alle.“

Das Gymnasium Obervieland hat ein Musik-Profil – Musik-Lehrer Johannes Luig schaffte es, eine ganze Klasse zum „Pace“-Singen nach vorne zu bringen. Und dann spielte und sang Sidafo Toussido, ein Flüchtling aus Kamerun, der in seinem Heimatland gefoltert worden ist. Er sei aufgrund einer „unbarmherzigen Auslegung des Asylrechtes täglich von Abschiebung bedroht“, berichtete Soziologie-Lehrer Mazur. Die Regie wollte es, dass Henning Scherf direkt nach Toussido reden musste. Auf das konkrete Engagement für den Flüchtling aus Kamerun ging er mit keinem Wort ein. Stattdessen versicherte er den SchülerInnen, wenn sie sich weiterhin so engagierten, dann würden sie zum „Stolz der Stadt“. kawe