Der Kumpel

Weil es kaum Jobs gibt, haben sich immer mehr Arbeitslose selbstständig gemacht: als Ich-AG oder als Gründer mit Überbrückungsgeld. Dass es so schwer wird, hätte kaum einer gedacht. Vier Beispiele

VON RICHARD ROTHER

Am Anfang war ein Angebot. Ein Job-Angebot. Aber Rüdiger Schulz, gelernter Kfz-Mechaniker, nahm es nicht an. Es hatte einen entscheidenden Nachteil. Nicht die Bezahlung, sondern der Ort war das Problem: Wolfsburg. Am Fließband bei VW, das konnte sich der 42-Jährige, der vor Jahren aus der Provinz nach Berlin geflüchtet war, nicht vorstellen. „Es gibt nur zwei deutsche Städte, in denen man leben kann: Berlin und Hamburg.“

Schulz sitzt in seiner schönen Kreuzberger Wohnung, raucht Selbstgedrehte und lässt den Blick über den Ostteil der Stadt schweifen. Er ist sein eigener Chef. Eine Rüdiger-Schulz-AG, die nur deswegen nicht Ich-AG heißt, weil sie anders gefördert wird. „Viel arbeiten macht mir nichts aus, aber einen geregelten Acht-Stunden-Tag kann ich mir nicht vorstellen“, sagt Schulz.

Viel Arbeit hat er im Moment nicht, zumindest keine bezahlte. Er ist der Autokumpel. Einer, der seinen Sachverstand Leuten anbietet, die sich einen Gebrauchtwagen kaufen wollen. 50 Euro kostet es, wenn Schulz einen potenziellen Käufer begleitet, den angebotenen Wagen vor Ort begutachtet und eventuell den Preis herunterhandelt – auch einen Teil der Preisersparnis streicht er ein.

„Die Leute kaufen sich Sicherheit“, sagt Schulz. Versicherungsmakler, Banker, Ärzte hatte er bereits als Kunden. Klar, wer ein paar tausend Euro für einen Wagen ausgibt, kann 50 Euro gut verkraften. Aber der Kunde will das Gefühl haben, nicht über den Tisch gezogen zu werden. Schulz gibt dieses Gefühl. „Ich sage Ihnen, ob die Radlager klackern, ob der Wagen schon einen Unfall hatte, ob der Motor Öl verliert, selbst wenn er gewaschen ist.“

Schulz kennt sich mit Autos aus, ist handwerklich geschickt – die neue Wohnung ist tipptopp renoviert. Er berät gern und arbeitet gern selbstständig. „Warum es nicht einmal selbst versuchen?“, sagt er. Aber es klingt auch ein wenig nach Gründerprosa, so wie sie in unzähligen Kursen der Arbeitsagentur vorgetragen wird. Auch Schulz hatte nach längerer Arbeitslosigkeit solch einen Kurs besucht, bevor er sich vor einem halben Jahr selbstständig machte.

Die Bilanz: „Ich hätte nicht gedacht, dass es so schwer ist.“ Seine Idee sei gut, bundesweit einmalig – allein es kommen zu wenig Kunden. „Ich muss den Autokumpel bekannter machen.“ Schulz ist viel unterwegs – er verteilt Flyer in Fahrschulen und Kneipen, spricht mit Fahrlehrern und Radio-Moderatoren, schaltet regelmäßig Anzeigen in Stadtmagazinen. „Den Verlagen habe ich schon viel Umsatz beschert.“ Umsatz, der vom Arbeitsamt finanziert ist.

Schulz erhält ein halbes Jahr lang das so genannte Überbrückungsgeld – das besteht aus der Arbeitslosenunterstützung plus einer Hilfe für die Selbstständigkeit, er bekommt nun 980 statt zuvor 700 Euro. Beim Modell Ich-AG hätte er anfangs nur 600 Euro bekommen, dafür wäre diese Unterstützung drei Jahre lang gelaufen. Schulz ist überzeugt: „Eine Ich AG lohnt sich nur für den, der schon einen festen Kundenstamm hat.“ Etwa für eine Friseurin, die vorher viel schwarzgearbeitet habe.

Der Autokumpel, dem die starre Handwerksordnung ein Dorn im Auge ist, hat diesen Kundenstamm nicht. Wie auch, ein Auto kauft man nur alle paar Jahre, zum Frisör geht man alle ein bis zwei Monate. Dennoch hat es mit dem Arbeitsamt keine Probleme gegeben, die Förderung zu bekommen. „Die waren froh, dass sie mich los waren.“

Möglicherweise nicht für lange. Wenn die Förderung ausläuft und er nicht nebenbei andere Jobs findet, muss Schulz vom Autokumpel leben. Dafür bräuchte er im Jahresschnitt mindestens zwei Kunden täglich. Und das, obwohl in der Branche im Winter Flaute ist und die Berliner an allen Ecken und Enden sparen.

Davon ist der Autokumpel, der die Ich-AG für eine arbeitsmarktpolitische Illusion hält, im Moment weit entfernt. Aber er gibt nicht auf. „Im Frühling und im Sommer werden mehr Autos verkauft, das hilft mir auch.“ Und er träumt davon, Nachahmer in anderen Städten zu finden, die seine Idee und seinen Markennamen nutzen – und dafür bezahlen.

Schafft der Autokumpel es nicht, im nächsten halben Jahr finanziell auf die Füße zu kommen, muss er im Winter wieder zur Arbeitsagentur. Schulz: „Unwahrscheinlich ist es nicht.“

www.autokumpel.de, Tel. 25 01 66 18