Geschwätzige Studien

betr.: „Boni fürs Engagement“, „Studie: Top-Lehrer müssen top verdienen“, taz vom 12. 11. 08

Da ist er wieder: Der latente Vorwurf, der deutsche Lehrer – insbesondere der gymnasiale – verdiene zu viel und leiste zu wenig. Gefordert wird eine „egalitäre Bezahlung“ der Lehrer von der Grundschule bis zum Gymnasium. Konsequenterweise könnte man auch auf die Idee kommen, Bankangestellte und Supermarktkassierer gleich zu bezahlen, weil beide ja dasselbe tun: mit Geld umgehen.

Gefordert werden Boni beim Lehrergehalt für „eine schwierige Schülerschaft“. Dass man mit dieser Art von Gefahrenzulage oder Buschprämie die Schwierigkeiten an „problematischen Schulen“ von Berlin bis München in den Griff bekommt, darf getrost bezweifelt werden. Die Bildungsökonomen – dieses Wort muss man sich auf der Zunge zergehen lassen – und die Kommentatorin verraten allerdings nicht, wie man Lehrerleistung objektiv bewerten will.

Auch wenn man den Schulleiter einen Manager nennt und die Schule als Unternehmen bezeichnet, so werden dort trotzdem keine Produkte hergestellt, deren Qualität man mit Waage oder Zollstock messen kann. Hat man den besseren „Output (Schülerleistung)“ als Lehrer, wenn die Notendurchschnitte bei den Klassenarbeiten besser werden? Nichts leichter als das: Schlechter als Drei wird nichts mehr zensiert, das Abiturzeugnis wird gleich mit in die Schultüte gepackt. Alle sind zufrieden, von den Personalchefs und Uni-Professoren einmal abgesehen.

Getreu dem Motto, der eigene Schulbesuch reicht als Kompetenzgrundlage in Bildungsfragen locker aus, wird weiter argumentiert. Die Totschlagworte „Pisa“ und „Finnland“ dürfen dabei nicht fehlen. Allerdings kein Wort davon, dass die OECD und der genannte Interessenverband der Arbeitgeber, die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), mit ihren Studien und Tests ganz eigene, rein utilitaristische Bildungsziele verfolgen und wohl nur unternehmerisch-wirtschaftliche Interessen haben. Um Bildung im humboldtschen Sinne geht es da nämlich nicht, mit Ausbildung ist dort das Fertigstellen willfähriger Arbeitskräfte von morgen gemeint.

Kein Wort auch davon, dass sogar ein Gymnasiallehrer mitunter Jahrzehnte auf die erste Beförderung warten darf, um mit selbiger das Ende der Karriereleiter und netto keine 200 Euro mehr auf dem Konto erreicht zu haben. Wie großartig diese „Pfründen“ sind, welche „die Lehrerlobby verteidigt“, mag man daran ermessen, dass bereits heute 20.000 Lehrer in diesem Land fehlen, auch an Gymnasien. Belohnen könnte man alle Lehrer gleicher- und verdientermaßen mit halb so großen Klassen, einem Sozialpädagogen als Assistenten und einem Arbeitsplatz in der Schule, der diesen Namen auch verdient. Im Unterschied zu geschwätzigen Studien kostet das aber richtig Geld. VOLKER POSTEL, Mainleus