Präsidentenwahl im dritten Anlauf

Mit den Stimmen der Milošević-Sozialisten wählt Serbiens Parlament einen Vorsitzenden

BELGRAD taz ■ Serbien hat einen neuen Parlamentspräsidenten. Gestern wählte das Parlament im dritten Anlauf Dragan Maršićanin, Vizepräsident der DSS, der als gemäßigt national geltenden Partei, an deren Spitze Vojislav Koštunica steht. Der neue Präsident, der provisorisch auch die Funktion des Staatschefs übernehmen wird, hat angekündigt, Koštunica das Mandat zu erteilen, um mit der Expertenpartei G-17 und den rechtsnationalen Parteien SPO von Vuk Drašković und NS unter Velimir Ilić eine Minderheitsregierung zu bilden. Diese Parteien stellen allerdings nur 109 der 250 Abgeordneten.

Die Wahl Maršićanins wurde mit den 22 Stimmen der SPS möglich, die bei den Wahlen mit dem als Kriegsverbrecher angeklagten Slobodan Milošević als Spitzenkandidat angetreten war.

Zuvor waren die Verhandlungen zwischen den Parteien, die die DSS unterstützen, und der Demokratischen Partei (DS) des ermordeten Zoran Djindjić gescheitert. Man hatte nach den Wahlen erwartet, dass Serbien eine Regierung des „demokratischen Blocks“, DSS, G-17, DS mit SPO und NS bekommen werde.

Maršićanin sagte, die Unterstützung der Milošević-Sozialisten sei ihm genau so willkommen, wie es jene der Demokratischen Partei gewesen wäre. Weiter erklärte er, die SPS erhalte keinen Sitz in der Regierung.

Einer der Vizepräsidenten der SPS, Milorad Vučelić, sagte jedoch, Mitglieder seiner Partei würden mit Sitzen in den Aufsichtsräten der Regierung nahe stehender Betriebe belohnt werden und es sei wichtig, dass man „wieder da“ sei. Außerdem heißt es, die Bedingung sei gewesen, keine Angeklagten mehr nach Den Haag auszuliefern.

Auf die Frage, welche Reaktionen er von der internationalen Gemeinschaft wegen der Zusammenarbeit mit der Partei Milošević’ erwarte, winkte Maršićanin ab. „Unsere Freunde werden das als gute Nachricht aufnehmen, weil damit die Lösung der Probleme in Serbien begonnen hat“. Unverblümt fügte er hinzu, nun sei erwiesen, dass man nicht ständig „auf Grund alter Sünden“ verurteilt werden könne.

Boris Tadić, Verteidigungsminister der Staatengemeinschaft Serbien und Montenegro, der an der Spitze der Liste der DS gestanden und die Verhandlungen mit der DSS geführt hatte, schloss eine Teilnahme seiner Partei an einer Regierung, die von Milošević-getreuen Abgeordneten mit gewählt werde, aus. Man habe wohl der SPS einiges versprochen, was geheim gehalten werde. ANDREJ IVANJI

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