BMW demnächst made in China

Den bayerischen Autohersteller zieht es in die Industriewüste der Provinz Liaoning. Motiv für den Bau einer 3.000-Mitarbeiter-Fabrik ist nicht in erster Linie die kostengünstige Produktion, sondern der Versuch, den neuen Milliardenmarkt zu öffnen

aus Peking GEORG BLUME

Im April 1993 nahm der gelernte Nuklearphysiker Helmut Panke seine Tätigkeit als Chefmanager der BMW-Niederlassung in den USA auf. Damals baute der bayrische Autohersteller im industriellen Brachland der amerikanischen Südstaaten seine erste vollständige Produktion im Ausland auf. Das war die „erste Stufe der Internationalisierung“. Fast auf den Tag genau zehn Jahre später verkündete Panke nun die „zweite Stufe der Internationalisierung“. Diese zieht den Konzern in eine noch weiter entfernte Industriewüste: in Chinas chronischer Krisenregion Liaoning, der Provinz mit der höchsten urbanen Arbeitslosigkeit in der Volksrepublik, sollen schon im Herbst voll gefertigte BMW vom Band laufen.

Panke, inzwischen Vorstandsvorsitzender seines Unternehmens, war die Sache gestern einen Galaabend in der Großen Halle des Volkes in Peking wert. Dort feierten früher die Maoisten, die die rohstoffreiche Region Liaoning im Nordosten des Landes einst zum Zentrum ihrer Schwerindustrien aufgebaut hatten. Gerade deshalb aber ist dort heute das soziale Elend so groß wie sonst nirgendwo in China. Doch Panke stört das nicht. Man werde das „ausbalancieren“, prophezeite er. Daraufhin unterzeichneten der BMW-Boss und der Chef seines chinesischen Joint-Venture-Partners, Brilliance China Automotive, einen Vertrag, der ein gemeinsames Investitionsvolumen von 450 Millionen Euro bis 2005 und die Fertigung von 30.000 BMW-Fahrzeugen im Jahr vorsieht. Dafür wollen die an dem neuen Unternehmen zu gleichen Teilen mit jeweils 50 Prozent beteiligten Partner eine Fabrik mit 3.000 Mitarbeitern aufbauen.

Um den Vertrag musste BMW lange ringen. „Wir passten nicht in das Konzept der Massenmobilisierung“, erklärte BMW-Asienvertriebschef Lüder Paysen gestern die Tatsache, dass die chinesiche Regierung die Begehren aus Bayern über Jahre hinweg abgewiesen hatte. Das änderte sich erst mit Chinas Beitritt in die Welthandelsorganisation WTO und der Öffnung des chinesischen Automarkts.

Der wächst seither mit 50 Prozent im Jahr – weshalb kein internationaler Hersteller den Trend verpassen will. Nicht zufällig kündigte DaimlerChrysler erst am Mittwoch an, ein Joint-Venture mit einem südchinesischen Kleinbushersteller bei den chinesischen Behörden beantragen zu wollen.

Dabei geht es den deutschen Firmen, wie Panke in Peking betonte, „nicht darum, das Kostengünstigste zu machen, sondern darum, den Markt zu öffnen“. Er verwahrte sich damit gegen jeden Verdacht, BMW werde eines Tages den billigen Produktionsstandort Liaoning nutzen, um Autos nicht mehr aus Deutschland, sondern aus China in alle Welt zu verkaufen. „Mit einer starken Positionierung in China wird Arbeitsplatzabsicherung in Deutschland betrieben“, sagte der BMW-Chef. Kurz- und mittelfristig hat er damit sicherlich Recht: Die ersten in der Volksrepublik hergestellten BMW werden nur zur 40 Prozent aus lokaler Fertigung kommen. Vieles stammt noch aus Deutschland.

Ein weiteres Jahrzehnt später aber könnte die Automobilwelt schon wieder anders aussehen: Die dritte Stufe der Internationalsierung wäre dann der BMW made in China für den Weltmarkt. Und die Schließung mindestens einen Werks in Deutschland oder Amerika.