Neue Front im Nordirak

US-Fallschirmjäger landen im Kurdengebiet im Norden des Landes. Erneut massive Bombardements auf Bagdad. Heftige Kämpfe an allen Fronten mit dutzenden von Toten. US-Regierung interveniert gegen Resolution in der UNO zum Irakkrieg

BAGDAD/WASHINGTON/NEW YORK afp/dpa/taz ■ Die Streitkräfte der USA und Großbritanniens haben damit begonnen, eine zweite Front im Norden Iraks aufzubauen. Bis zu tausend US-Fallschirmjäger landeten am Mittwochabend im nördlichen Kurdengebiet, wie das Pentagon in Washington mitteilte. Gleichzeitig stießen starke US-Verbände in Richtung der Städte Kut und Diwanija vor, wie Agenturen berichteten. Bagdad wurde erneut heftig bombardiert.

An dem Frontaufbau in Nordirak seien bis zu 1.000 Soldaten der 173. Luftlandebrigade der US-Armee beteiligt, sagte ein Pentagon-Vertreter. Mit der Verlegung weiterer Verbände nach Irak wurde begonnen. Die ersten von etwa 30.000 Soldaten seien aus den USA ausgeflogen worden, sagte eine US-Armeesprecherin.

Verbände der US-Marines rückten auf die Städte Kut und Diwanija südlich von Bagdad vor. Bei Hubschrauberattacken auf Verteidigungsstellungen nördlich der umkämpften Stadt Nassirija wurden nach Angaben von Journalisten vor Ort etwa 20 bis 25 Iraker getötet. Bei Gefechten nahe der Stadt sollen bis zu 30 US-Soldaten durch irrtümlichen Beschuss aus den eigenen Reihen verletzt worden sein. Das berichtete ein Reporter des britischen Senders ITV.

Die Versorgungslage in der eingeschlossenen Millionenstadt Basra im Süden wird nach Angaben von Hilfsorganisationen immer dramatischer. Es mangelt an Wasser und Lebensmitteln. Südlich von Basra hätten britische Soldaten einen irakischen Militärkonvoi an einem Ausbruchsversuch gehindert, berichtete ein Journalist, der die Einheiten begleitete. Nach britischen Angaben wurden 14 irakische Panzer zerstört.

Die Luftangriffe auf Bagdad gingen auch gestern weiter. Augenzeugen berichteten von etwa 30 schweren Explosionen. Bei der Bombardierung von Jusifija etwa 30 Kilometer südlich der Hauptstadt habe es acht Tote und 44 Verletzte gegeben, teilte das irakische Informationsministerium mit. Seit Beginn des Krieges wurden nach irakischen Angaben rund 350 Zivilisten getötet und 3.600 weitere verletzt.

US-Präsident George Bush und Großbritanniens Premier Tony Blair zogen nach einem Treffen in Camp David eine erste Bilanz des Kriegsverlaufs. Bush erklärte zu Frage nach der Dauer des Krieges: „Das ist keine Frage des Zeitplans, es ist eine Frage des Sieges.“ Beide kündigten an, sie wollten sich um eine aktive Rolle der UN bei der Gestaltung der Hilfe für Irak bemühen. Die Kontrolle des Irak solle aber nicht an die Vereinten Nationen abgegeben werden.

Der britische Verteidigungsminister Geoff Hoon sagte in London, es gebe „umfangreiche Funde, die eindeutig beweisen, dass irakische Truppen auf den Einsatz“ von Massenvernichtungswaffen vorbereitet seien. Bereits am Dienstag hatten US-Truppen den Fund von 3.000 Chemieschutzanzügen und größeren Mengen des Medikaments Atropin gemeldet. Atropin wird als Gegenmittel gegen Nervengas eingesetzt. Die britische Regierung erhöhte ihr Budget für den Irakkrieg. Statt 1,75 würden nun 3 Milliarden Pfund (4,4 Milliarden Euro) veranschlagt, sagte Schatzkanzler Gordon Brown.

Unterdessen versuchen die USA in der UNO andere Staaten davon abzuhalten, im UN-Sicherheitsrat oder in der Generalversammlung eine Resolution einzubringen, mit der die Völkerrechtswidrigkeit des Irakkrieges festgestellt wird. US-Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice hat eine Demarche für alle US-Botschafter verfasst. Wörtlich heißt es in der Demarche, die der taz vorliegt: „Einige Mitglieder der UNO erwägen den Antrag auf Einberufung der Generalversammlung. Wir fordern Sie auf, diesen Antrag abzulehnen oder sich zu enthalten. Die USA empfinden eine Sitzung der Generalversammlung zum Thema Irak als gegen die USA gerichtet.“ GB