Käsehoch im Norden

Öko-Bauern entdecken Käserei zunehmend als Möglichkeit, die eigene Milch nicht unter Wert zu verarbeiten. Neuer Markt für Käse mit Anspruch

von GERNOT KNÖDLER

Glaubt man der Genießer-Vereinigung Slow-Food, dann hat sich Norddeutschland in den vergangenen zehn Jahren zu einer Hochburg für hochwertigen Käse gemausert. Alte, typisch norddeutsche Sorten sind wiederentdeckt, neue entwickelt worden. In Schleswig-Holstein führt seit 1999 eine Käsestraße von Erzeuger zu Erzeuger. Und einmal im Jahr trifft sich die Szene auf dem Norddeutschen Käsemarkt im Freilichtmuseum Kiekeberg.

Eine treibende Kraft dieser Entwicklung scheint die Umstellung vieler Bauernhöfe auf ökologischen Landbau gewesen zu sein. Die Öko-Bauern erzeugten einen Milchüberschuss und wussten nicht, wohin damit. Die Milch an eine konventionelle Meierei zu verkaufen, war ein Verlustgeschäft. Also überlegten sie Wege, die eigene Milch komplett zu vermarkten, und kamen aufs Käsen. „Viele der Kollegen sind Bauern, keine gelernten Käser“, sagt Markus Kober. Der Käse-Händler, der dreimal die Woche auf Hamburger Öko-Märkten steht, bewirtschaftet mit seiner Frau zusammen eine alte Meierei in Besdorf am Nord-Ostsee-Kanal, wo er Käse durch sorgfältiges Reifen verfeinert.

Kober schätzt, dass auch Bio-Käse zu 90 Prozent industriell hergestellt wird. „Jede Käserei, die auf Menge produziert, muss die Herstellung vereinfachen“, sagt er. Sie müsse sich auf einen Preiskampf einlassen und die Kosten drücken, was auf die Qualität durchschlage. Das Zusammenschütten der Milch verschiedener Höfe mache ein Pasteurisieren nötig, weil sonst das Risiko zu hoch sei, dass unerwünschte Bakterien Fehlreife und Spätblähungen des Käses verursachen. Rohmilchkäse komme daher überwiegend von Höfen, die ihre eigene Milch verarbeiten und über die Kontrolle des Futters unerwünschte Mikroorganismen fern halten können.

Zum Teil greifen die Hofkäsereien auf Käserezepte aus anderen Regionen zurück und versuchen, diese unter norddeutschen Bedingungen anzuwenden, etwa bei Peccorino, einem Schafshartkäse. Andere haben norddeutsche Sorten wiederentdeckt oder weiterentwickelt.

Zu letzteren gehört der Tilsiter als typischer Käse von der Ostseeküste. Wurde er früher fast ausschließlich jung und fad gegessen, lassen ihn manche Käser inzwischen anderthalb Jahre lang reifen. Wiederentdeckt wurde der Holsteiner Lederkäse, der in Sand gelagert und zum Frischhalten mit Rum begossen wird.

Gleichzeitig regen auch anspruchsvolle Käsehändler neue Kreationen an. Kober zum Beispiel fand, seinem Stand fehle noch ein Ziegenweichkäse mit Blauschimmel. Das Kind ist unterwegs und wird die norddeutsche Käse-Familie demnächst bereichern.

Der nächste Käsemarkt am Kiekeberg in Rosengarten-Ehestorf findet am 25. Mai von 10 bis 18 Uhr statt. Weiteres zu Käse aus dem Norden unter www.slowfood-hamburg.de